Ein ganz besonderer Kalender – 21 Türchen (er)öffnen neue Perspektiven auf Mehrsprachigkeit
von Rahel Thiveßen • Artikel im ZMI Magazin 2024, S. 26
Der Internationale Tag der Muttersprache erinnert seit dem 21. Februar 2000 jedes Jahr an die Bedeutung der Mehrsprachigkeit und die Notwendigkeit, die sprachliche Vielfalt auf unserer Welt zu bewahren. Hintergrund ist ein Gedenktag Bangladeschs, bei dem der Menschen gedacht wird, die 1952 ihr Leben verloren, als sie gegen den Beschluss des pakistanischen Regimes demonstrierten, Urdu zur alleinigen Amtssprache zu erklären (Topal 2023: 21). 1999 wurde vor diesem Hintergrund auf der UNESCO-Generalkonferenz der weltweite Gedenktag beschlossen (Deutsche UNESCO-Kommission e. V. 2023: o. S.). Eine Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen von 2002 hebt hervor, „dass die Vereinten Nationen für die Mehrsprachigkeit als Mittel der Förderung, zum Schutz und zur Erhaltung der Vielfalt der Sprachen und Kulturen auf der ganzen Welt eintreten“ (UN-Resolution A/RES/56/262).
Jährlich finden zum Gedenktag weltweit Lesungen, Ausstellungen und mehr statt und auch das ZMI Zentrum für Mehrsprachigkeit und Integration plant und unterstützt selbstverständlich vielfältige Veranstaltungen. Zum 24. Internationalen Tag der Muttersprache hatte das ZMI bereits im Jahr 2023 die einzigartige Idee des digitalen 21-Türchen-Kalenders und hat damit den Februar zum Aktionsmonat erklärt. Vom 01. bis zum 21. Februar erwartete die Öffnenden ein digitaler Kalender mit 21 besonderen Beiträgen zu den Themen Mehrsprachigkeit und Sprachförderung. Die Beiträge im Jahr 2023 waren ganz unterschiedlich und vielfältig – und stellten damit jedes Mal eine kleine Überraschung dar.
Neben informativen Inhalten, beispielsweise dazu, was es mit dem Internationalen Tag der Muttersprache auf sich hat, und einem Quiz zu Mehrsprachigkeit, gab es auch „musikalische Türchen“. In „Kölsche Jung“ drückte die Kölschrockgruppe Brings ihren Bezug zur Muttersprache Kölsch aus: „Hück ben ich jlöcklich, dat ich et kann / Uns Sprooch, die mäht uns doch us / Mor hürt schon von Wiggem / Wenn eener Kölsch schwaad / Do föhl ich mich direkt zu Hus“. Der Kalender gab weiterhin Einblick in spannende Projekte, wie das in Kooperation mit dem Museumsdienst entstandene Programm „Herkunftssprachlicher Unterricht in Kölner Museen“ und den Gedichtwettbewerb „GEDICHTE DICHTEN“, der vom ZMI in Kooperation mit dem Amt für Schulentwicklung und dem Schulamt für die Stadt Köln veranstaltet wurde. Schüler:innen der dritten und vierten Klasse von insgesamt 15 Schulen im „Verbund Kölner Europäischer Grundschulen“ zeigten in diesem Projekt mit ihren selbstverfassten mehrsprachigen Gedichten auf beeindruckende Weise, wie die unterschiedlichen Kulturen und Sprachen der Kölner Kinder und Jugendlichen die Gesellschaft bereichern.
Hinter einigen Türchen kamen auch Expert:innen aus Fachkreisen zu Wort. So tauschte sich Prof. Dr. Rosemarie Tracy mit Rosella Benati vom ZMI zum mehrsprachigen Spracherwerb aus und sprach darüber, wie das Bildungssystem hier wirken kann. Dr. Till Woerfel vom Mercator-Institut für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache der Universität zu Köln gab wissenschaftlich fundierte Antworten auf häufig gestellte Fragen zu Mehrsprachigkeit in Kita und Schule. Darüber hinaus gab es Expert:inneneinblicke aus der eigenen Lebenswelt. So erzählte beispielsweise Fi (7;2 Jahre alt) aus eigener Erfahrung über die zweite Muttersprache Schweizerdeutsch: „Nein, ich hab das nicht gelernt… Ich kann das schon, seit ich ein Baby war.“
Eindrücke aus der pädagogischen Praxis waren ebenfalls dabei. So zeigten die bilingualen Kölner Kitas Zebra-Verde und Zebra-Kita in einem kleinen Video, „wie eine Elternkooperation auf Augenhöhe und unter lebendiger Nutzung aller Familiensprachen erfolgt“ (ZMI 2023: o. S.).
Der Kalender erhielt eine enorme Resonanz und wurde oft angeklickt – und das nicht nur landes- und bundesweit, sondern auch im weiteren deutschsprachigen Raum. Diese positive Resonanz ermutigte das ZMI dazu, auch 2024 wieder einen 21-Türchen-Kalender zu gestalten, der zum diesjährigen Schwerpunktthema „Postmigration“ kurze und knackige Videos zu Mehrsprachigkeit aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln bereithält. Mehrsprachigkeit ist oft verbunden mit mündlicher Sprache, doch dieses Jahr kommt darüber hinaus auch die Gebärdensprache im 21-Türchen-Kalender mit einem ganz besonderen Beitrag zu Wort. Einblicke aus der Praxis geben die Interkulturellen Zentren und zeigen auf, was Mehrsprachigkeit in der Postmigration konkret bedeuteten kann. Natürlich sind auch wieder musikalische Beiträge vertreten, beispielsweise der jüdische Chor, der in unserem Kalender 2024 mit einer besonderen Gesangseinlage begeistert.
Der 21-Türchen-Kalender ist noch den gesamten März über verfügbar. Freuen Sie sich auf viele Sprachen, viele Nationalitäten und verschiedene Blickwinkel und lassen Sie sich überraschen.
Literatur:
Deutsche UNESCO-Kommission e. V. (2023): 21. Februar: Welttag der Muttersprache. Abgerufen auf: https://www.unesco.de/kultur-und-natur/kulturelle-vielfalt/welttag-der-muttersprache [30.12.2023]
Topal, Sevinç (2023): Förderung sprachlicher und kultureller Vielfalt und Mehrsprachigkeit – Internationaler Tag der Muttersprache. In: ZMI Magazin 2023, S. 21-22.
ZMI (2023): Beispiele für eine gelungene Elternkooperation unter Einbeziehung der Mehrsprachigkeit. Internetpräsenz des ZMI. Abgerufen auf: https://www.zmi-koeln.de/mehrsprachigkeit-in-koelner-kitas/ [02.01.2024]