Europäische Kulturen als Ressourcen in der beruflichen Bildung?
von Thorsten Noelle • Artikel im ZMI Magazin 2024, S. 32
Das Zusammenwachsen des europäischen Wirtschaftsraumes und Arbeitsmarktes erfordert in steigendem Maße die Berücksichtigung der europäischen Dimension in der beruflichen Aus- und Weiterbildung. Sprachkompetenz, interkulturelles Verständnis und Auslandserfahrung führen zu verbesserten Chancen im zunehmend transnational und international orientierten Berufs- und Wirtschaftsleben.
Die EU-Geschäftsstelle der Bezirksregierung Köln hat den Auftrag, die entsprechend wichtige und notwendige Europäisierung der beruflichen Bildung zu fördern. Dies geschieht durch Beratungsangebote, Austauschprojekte für Auszubildende und Bildungspersonal sowie europaweite Projekte zur Qualitätsentwicklung im berufsbildenden Bereich.
Die EU-Geschäftsstelle berät und unterstützt zum Beispiel die Berufskollegs im Regierungsbezirk Köln bei der Vorbereitung, Durchführung und Evaluation von Mobilitäts- und Projektmaßnahmen, die mit EU-Mitteln gefördert werden.
Auch durch eigene Mobilitätsprojekte organisiert die EU-Geschäftsstelle Auslands-praktika und Studienaufenthalte für Auszubildende und Berufsbildungspersonal der Berufskollegs in andere EU-Staaten im Rahmen von EU-Fördermaßnahmen. Hierbei werden Kontakte zu Betrieben und Berufsbildungsinstitutionen in ganz Europa geschaffen und die Idee eines gesamteuropäischen Arbeits- und Ausbildungsmarktes wird für viele Menschen konkret erlebbar.
Als Projektkoordinatorin oder Projektpartnerin in EU-Projekten entwickelt die EU-Geschäftsstelle außerdem innovative transnationale Bildungsinstrumente und arbeitet an EU-weit übertragbaren und erprobten Instrumenten zur Qualitätssicherung und zur Digitalisierung. Der Fokus liegt dabei auf einem hohen Qualitätsstandard der entwickelten Produkte und Projektergebnisse. Wichtig sind hierbei auch die Beschreibung und die Anerkennung der im Ausland gewonnenen Kompetenzen. Dazu werden ganzheit-
liche Kompetenzmatrizen in verschiedenen Berufsfeldern der Beruflichen Bildung sowie entsprechende Datenbanken genutzt. Auch zur Erleichterung der Organisation und Validierung von Auslandsaufenthalten werden europäische Instrumente zur gegenseitigen Anerkennung von Kompetenzen genutzt.
Die EU-Geschäftsstelle ist im Rahmen des EU-Programms Erasmus+ akkreditiert. Dies ermöglicht einen vereinfachten Zugang zu finanziellen Ressourcen des EU-Programms und gewährleistet somit die effektivere Umsetzung mittelfristiger Ziele und eine sehr viel bessere Planbarkeit von Austauschaktivitäten. Die Mitarbeiter:innen der EU-Geschäftsstelle sind als Erasmus+-Berater:innen in der Berufsbildung anerkannt. Dies bedeutet, dass sie immer auf dem aktuellen Kenntnisstand zum Thema Erasmus+ und Internationalisierung in der Berufsbildung sind. Durch regelmäßige Schulungs- und Netzwerktreffen der Nationalen Agentur beim Bundesinstitut für Berufsbildung (NA BiBB), die das Erasmus+-Programm in Deutschland für die Berufsbildung umsetzt, wird die Qualität der Beratung gesichert. Die Beratung ist allen interessierten Personen in der beruflichen Bildung zugänglich. Die Akkreditierung stärkt die Kooperation der Berater:innen untereinander und mit der NA BiBB. Das Ziel ist ein „Mehr“ an Mobilität und Internationalisierung in der beruflichen Bildung.
Unter dem Motto „strategisch-beruflich-mobil“ fördert die EU-Geschäftsstelle die Mobilität in der Ausbildung und übernimmt damit eine Vorreiterfunktion. Die EU-Geschäftsstelle kooperiert mit allen Partnern in der beruflichen Bildung: Berufskollegs, Betriebe und Kammern, national sowie international. Sie bietet den Akteuren der beruflichen Bildung eine Plattform zur Diskussion sowie zur Veröffentlichung von Projektergebnissen. Sie unterstützt deren bezirks- und landesweite Verbreitung und soweit möglich, deren Einbindung in eine regionale Strukturförderung. Hier kann als Beispiel sehr gut die Zusammenarbeit mit den Berufskollegs in der EUREGIO Maas-Rhein angeführt werden. Die EU-Geschäftsstelle unterstützt bei der Koordination gemeinsamer EU-Aktivitäten und fördert finanzielle Mobilitätsprojekte der Schulen. Ferner verfügt die EU-Geschäftsstelle über ein großes Netzwerk von europäischen Projektpartnern und ist bei der Suche nach Partnerinstitutionen behilflich.
All diese Projekte und Angebote basieren auf der Überzeugung, dass ein starkes Europa nur bestehen kann, wenn die Menschen der einzelnen Länder und Regionen bereit sind, voneinander zu lernen und sich über ihre Erfahrungen auszutauschen. Wir als EU-Geschäftsstelle der Bezirksregierung Köln sehen die unterschiedlichen Kulturen und Denkweisen als Ressource. In gemeinsamen Projekten machen wir die Erfahrung, dass Probleme und Herausforderungen in den Ländern unterschiedlich gelöst werden. Dadurch entstehen Perspektivwechsel, von denen die Projektpartner gegenseitig lernen können. Die gemeinsam entwickelten Ergebnisse finden eine viel größere Akzeptanz in den beteiligten Kulturkreisen und durch das produktive und kooperative Arbeiten entsteht ein gegenseitiges Vertrauen, auf dem sich tragfähige Bindungen für zukünftiges Arbeiten aufbauen lassen. Dieses Vertrauen ist dann auch maßgeblich für ein friedliches Miteinander in Europa. Es ist wichtig, eine gemeinsame „Sprache“ zu finden, um miteinander zu interagieren und zu kommunizieren. Es ist allerdings genauso wichtig, die eigene Kultur wertzuschätzen und die Ressourcen darin zu sehen. Nur so ist es möglich, eine positive Grundhaltung zu behalten und Menschen auch im eigenen Kulturkreis vom Potenzial und der Wichtigkeit des europäischen Austausches zu überzeugen.
Gerade für Personen, die neu in ein anderes Land zuwandern, ist Sprache ein starkes Identifikationsinstrument. Die Förderung der Mehrsprachigkeit, auch in der beruflichen Bildung, ist somit ein wichtiger Meilenstein im Sinne der oben beschriebenen Ressourcenerkennung und -nutzung. Die eigene Sprache als Ressource zu sehen und gleichzeitig zu erkennen, dass dies auch als Ressource von außen gesehen wird, ist sicher ein wichtiger Baustein.
Andere Kulturen und die vielfältigen Sprachen wertzuschätzen und als Ressource zu sehen, setzt natürlich die gegenseitige Bereitschaft voraus, sich kennenzulernen, auszutauschen und voneinander zu lernen. Durch die zahlreichen Projekte der EU-Geschäftsstelle und die hohe Motivation der Berufskollegs im Regierungsbezirk Köln, Austauschaktivitäten durchzuführen, können stetig internationale Begegnungen initiiert werden, die genau dies möglich machen.