Interview mit Bettina Baum

Interview mit Bettina Baum

Das Gespräch führten Rosella Benati, Petr Frantik und Sevinç Topal • Artikel im ZMI Magazin 2023, S. 23

Seit Mitte Dezember 2021 ist Bettina Baum Leiterin des Amtes für Integration und Vielfalt. Sie hat Erziehungswissenschaften mit dem Schwerpunkt Erwachsenenbildung an der Universität zu Köln studiert und sich mit Fragen des Qualitätsmanagements in der beruflichen Bildung und der Erwachsenenbildung beschäftigt. Lange Jahre war sie im Bereich Arbeitsmarktforschung und Laufbahnberatung im Kontext der Medien- und Kommunikationswirtschaft in NRW tätig. 2013 ist sie als Fachreferentin für die Bereiche Soziales und Jobcenter zur Stadtverwaltung in das Dezernat Soziales, Integration und Umwelt gekommen. Als Frau Reker 2015 Oberbürgermeisterin wurde, hat Bettina Baum die Büroleitung des Dezernates übernommen und wurde die persönliche Referentin des neuen Sozialdezernenten, Herrn Dr. Rau. 2019 folgte Sie Frau Reker in ihr Amt und war dort Fachreferentin für Soziales, Integration, Wohnen und Gesundheit.

Frau Baum, Sie sind seit dem 15.12.2021 Amtsleiterin des Amtes für Integration und Vielfalt, das im Dezernat der Oberbürgermeisterin angesiedelt ist. Die Aufgabe des Amtes ist es, die Themen Einwanderung und Vielfalt stärker in das Verwaltungshandeln und die Stadtgesellschaft einzubringen. Mehrsprachigkeit ist damit ja eng verknüpft. Welche Möglichkeiten sehen Sie, um das Thema Mehrsprachigkeit innerhalb Ihrer Institution und der Kölner Stadtverwaltung insgesamt weiter zu stärken?
Bettina Baum: Zunächst einmal bin ich sehr froh, dass das Thema Mehrsprachigkeit in unserem Amt systemimmanent ist. Wir haben viele Kolleg*innen, die selbst eine internationale Familiengeschichte haben, sodass Mehrsprachigkeit für sie Normalität ist. Ich erlebe, dass deren berufliche und auch sprachliche Kompetenzen in einer unglaublichen Professionalität und mit Leidenschaft in den Berufsalltag einfließen. Das betrifft die Kommunikation mit den Zielgruppen, den Netzwerkpartner*innen und externen Akteur*innen und natürlich auch die Kommunikation untereinander. Es ist schön zu sehen, wie multiprofessionell und multiethnisch diese Teams mit den verschiedenen sprachlichen Herkünften sind und ich glaube, dass gerade das die Teams auszeichnet und ihnen auch eine Kraft gibt. Daher denke ich, dass das Amt in gewisser Weise eine Blaupause für die gesamte Verwaltung sein kann. Ich weiß, dass die Mehrsprachigkeit der Mitarbeitenden nicht überall in unserer Verwaltung geschätzt und aktiv genutzt wird. Und das ist ein ganz wesentlicher Punkt: Hinsichtlich der Wertschätzung und Nutzung der Kompetenzen haben wir als Amt für Integration und Vielfalt innerhalb der interkulturellen Öffnung der Verwaltung noch viel zu tun. Wir müssen hier Überzeugungsarbeit leisten, gerade weil das „Behördendeutsch“, das wir so gerne pflegen, für viele Menschen eine sehr große Hürde darstellt. Das betrifft nicht nur Menschen mit Zuwanderungsgeschichte, sondern auch Menschen, die hier ihre Bildungsbiografie erfahren haben. Deshalb wünsche ich mir an viel mehr Stellen innerhalb der Verwaltung eine regelhafte Unterstützung durch die Nutzung der Mehrsprachigkeit. Die Verwaltung ist Dienstleisterin. Wir haben die Pflicht und Aufgabe, auf die Bürger*innen zuzugehen und diese so anzusprechen, dass eine Kommunikation möglich ist.

Das Thema Mehrsprachigkeit hat für die Kölner Stadtgesellschaft seit jeher eine besondere Bedeutung. Wo sehen Sie diesbezüglich Potenziale und Bedarfe und welche konkreten Gestaltungsmöglichkeiten ergeben sich hierbei für Ihr Amt?
Bettina Baum: Der Integrationsrat hat im März 2022 das Positionspapier „Identitäten stärken, natürliche Mehrsprachigkeit fördern“ beschlossen. Im Juni hat der Rat der Stadt Köln dieses Papier noch einmal begrüßt und sich den darin enthaltenen Forderungen und Positionen angeschlossen und auch ich schließe mich den dort formulierten Positionen absolut an. Ein Satz aus dem Positionspapier bedeutet mir besonders viel: „Die Wertschätzung der Sprache eines Menschen ist gleichzeitig die Wertschätzung seiner Identität“. Genau aus dem Grund halte ich es für so wichtig, dass die Herkunftssprachen der Kinder bereits im Elementarbereich gefördert werden und gleichzeitig der Erwerb der deutschen Sprache. Es braucht dafür auch eine Akzeptanz und Nutzung der Mehrsprachigkeit durch die Erzieher*innen und Lehrkräfte. Insbesondere im Elementarbereich sehe ich noch Potenziale, diejenigen Erzieher*innen, die mehrsprachig sind, dabei zu unterstützen, dies auch einzusetzen. Bezogen auf die Schule müssen der Herkunftssprachliche Unterricht und der Deutschunterricht gleichberechtigt nebeneinanderstehen. Dafür sollte dem Herkunftsprachlichen Unterricht letztendlich auch mehr Zeit und Raum zur Verfügung gestellt werden. Die Gestaltungsmöglichkeiten unseres Amtes liegen insbesondere im Bereich der Sprachmittlung in den verschiedenen Ämtern und Dienststellen, in der Kommunikation mit den Bürger*innen sowie in der Werbung für die Nutzung der Mehrsprachigkeit der Mitarbeitenden. Innerhalb des Kommunalen Integrationszentrums widmen wir uns außerdem dem Thema schulischer und außerschulischer Bildung und damit dem Thema Mehrsprachigkeit.

Das ZMI stärkt das Thema Mehrsprachigkeit und unterstützt zum Beispiel das Programm „Grundschulbildung stärken durch den HSU“. Es hat das Eckpunktepapier entwickelt und gestaltet seit 15 Jahren zahlreiche Konzepte und Materialien zur Förderung der Mehrsprachigkeit für die Kölner Bildungslandschaft. Wo sehen Sie das Potenzial der Arbeit des ZMI auf kommunaler Ebene?
Bettina Baum: Ich halte das ZMI tatsächlich für unerlässlich für die Weiterentwicklung unserer kommunalen Bildungslandschaft, angefangen vom elementaren Bereich bis hin zur Erwachsenenbildung. Wir haben in Köln einen wachsenden Anteil von Kölner*innen mit Zuwanderungsgeschichte. Mittlerweile sind es circa 40 %, über alle Altersstufen gerechnet, bei den Jugendlichen sogar über 60 %. Mehrsprachigkeit ist damit keine Besonderheit mehr, sondern Normalität, sie muss aber gefördert werden. Das ZMI kann genau dabei unterstützen, sowohl in der konzeptionellen Weiterentwicklung als auch ganz konkret in der praktischen Arbeit, beispielsweise durch die Erarbeitung von Unterrichtseinheiten, um die Mehrsprachigkeit noch mehr in das tägliche Bewusstsein und in das tägliche Doing in allen Bildungsbereichen zu rücken. Von daher denke ich, dass das ZMI immer ein wesentlicher und letztendlich der wichtigste Akteur hier in Köln ist und bleiben wird, der didaktische und methodische Konzepte für die Mehrsprachigkeit erarbeitet und in die Fläche bringt.

Das Schwerpunktthema für das ZMI in diesem Jahr ist Elternkooperation und sprachliche Bildung. Zu diesem Themenfeld begleitet das Amt für Integration und Vielfalt seit Jahren das Programm „Rucksack“ und unterstützt Projekte wie „Eltern mischen mit“. Welche Erfahrungen hat das Amt bei der Begleitung von Projekten und Programmen gesammelt, die sich mit dem Thema Elternkooperation beschäftigen? Und wie könnte die Kooperation weiter ausgebaut werden?
Bettina Baum: Über das Schwerpunktthema Elternkooperation freue ich mich besonders, denn der Einbezug der elterlichen Kompetenz und der elterlichen Mithilfe kommt meines Erachtens in unserem Bildungssystem häufig zu kurz. Ich denke, dass wir Eltern – und gerade auch Eltern mit Zuwanderungsgeschichte – viel, viel mehr in das schulische Leben und den aktiven Bildungsprozess ihrer Kinder einbeziehen müssen. Über das Kommunale Integrationszentrum und das ZMI haben wir gute Instrumente an der Hand, um das zu erreichen. Projekte wie „Eltern mischen mit“ oder das „Rucksack-Projekt“ sind für uns als Amt deshalb besonders wichtig, gerade in Hinblick auf den Aspekt der Vernetzung. Diese Projekte sind darauf angelegt, eine langfristige und nachhaltige Wirkung zu erzielen und es können dadurch Kooperationen gebildet und weitere Partner in die Arbeit einbezogen werden. Von daher bin ich sehr froh, dass wir da mit dabei sein können. Ich würde mir auch wünschen, dass wir in diesen Projekten höhere Platzzahlen erreichen. Um das kommunal stemmen zu können, brauchen wir Landesmittel, finanzielle Unterstützung, natürlich Raum und Platz und Erzieher*innen.

Frau Baum, haben Sie selbst auch persönliche Erfahrungen mit dem Thema Mehrsprachigkeit oder gibt es eine konkrete Situation in Ihrem Leben, die Ihnen die Bedeutung von Mehrsprachigkeit deutlich gemacht hat?
Bettina Baum: In der Schule, die ich besucht habe, waren sehr viele Schüler*innen aus vielen unterschiedlichen Herkunftsländern und mit unterschiedlichem sozialen Status. Ich selber bin ja nicht mehrsprachig aufgewachsen und habe zunächst Englisch in der Schule gelernt. Das war für mich kein Problem, aber als dann Französisch als zweite Fremdsprache dazukam, habe ich mich damit schwergetan. Mir fehlte immer die Sprachpraxis. Deshalb habe ich meine Mitschüler*innen, die sich aufgrund ihrer Mehrsprachigkeit in unterschiedlichen sprachlichen Welten bewegt haben, immer sehr bewundert.

Sind Sie in Köln aufgewachsen? Hat bei Ihnen die Kölsche Sprache auch eine Rolle gespielt, denn das ist ja auch eine Form der Mehrsprachigkeit.
Bettina Baum: Das stimmt, ich bin in Köln aufgewachsen, verstehe Kölsch und kann einzelne Sätze sprechen, aber wirklich gelernt habe ich es nicht. Meine Mutter kam aus einer Kölner Arbeiterfamilie und da wurde Kölsch gesprochen. Allerdings war es ihr wichtig, dass ich als Kind Hochdeutsch lerne. Mein Vater kommt aus einer eher bürgerlichen Familie, wo Kölsch nicht gesprochen wurde. Deshalb und weil das Kölsch für sie mit ihrer eigenen Biographie innerhalb der Arbeiterfamilie verbunden war, hat meine Mutter immer sehr darauf geachtet, mit mir Hochdeutsch zu sprechen. Wenn sie allerdings geschimpft hat, dann schimpfte sie auf Kölsch. Ich selbst spreche es manchmal, wenn ich locker mit Freunden unterwegs bin, von denen ich weiß, dass die das auch verstehen. Für mich persönlich hat Kölsch auch ein gewisses Lokalkolorit und ich mag es.