Fünf Fragen an… Tobias Käufer Leiter der Abteilung Tageseinrichtungen und Tagesbetreuung für Kinder im Amt für Kinder, Jugend und Familie in Köln.

Fünf Fragen an… Tobias Käufer
Leiter der Abteilung Tageseinrichtungen und Tagesbetreuung für Kinder
im Amt für Kinder, Jugend und Familie in Köln.

Das Gespräch führten Rosella Benati, Petr Frantik und Sevinç Topal • Artikel im ZMI Magazin 2023, S. 26

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Wie informiert das Jugendamt mehrsprachige Eltern über Möglichkeiten der Einbeziehung sprachlicher und kultureller Diversität in den Kitaalltag?

Jede städtische Kindertageseinrichtung bietet verschiedene, individuell auf die Interessen und Bedarfe der Familien und auf die Ressourcen der Kita abgestimmte Möglichkeiten, um Mehrsprachigkeit einzubeziehen und zu fördern. Die Kindertagesstätten informieren die Familien zum Alltag in der Kita auf vielfältigen Wegen: In Einzelgesprächen, bei Eltern-Cafés, Elternnachmittagen und Festen, über Aushänge und Elternbriefe, über Filmvorführungen und mit digitalen Bilderrahmen. Der Kreativität sind hier kaum Grenzen gesetzt. In einigen Kitas wird das Projekt „Rucksack KiTa“ durchgeführt, bei denen ein Kind seine Eltern im sogenannten Rucksack mit in die Kita bringt. „Rucksack KiTa ist ein Sprach- und Bildungsprogramm für KiTa-Kinder zwischen vier und sechs Jahren mit internationaler Familiengeschichte sowie für deren Eltern/Familie und Bildungsinstitution. Im Fokus steht die alltagsintegrierte allgemeine und mehrsprachige Sprachbildung.“ (https://www.griffbereit-rucksack.de/rucksack-kita/). Die Eltern werden dabei gezielt in die Lernprozesse der Kinder eingebunden und können ihre eigene Mehrsprachigkeit nutzen und die ihrer Kinder fördern.

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Welche Erfahrungen und Bedürfnisse begegnen Ihnen im Austausch mit Eltern mit internationaler Familiengeschichte?
Jede Familie bringt ihre ganz eigene Geschichte, individuelle Erwartungen und Wünsche mit in die Kita. Von ausschlaggebender Bedeutung ist es, diese Familien in ihrer Einzigartigkeit wertzuschätzen und auf Augenhöhe ins Gespräch zu kommen. Viele mehrsprachige Familien formulieren beispielsweise Ängste in Bezug auf den Übergang in die Schule. Oft befürchten sie, dass ihr Kind die deutsche Sprache bis zum Schuleintritt nicht gut genug gelernt hat. Unsere Kitas begegnen diesen Ängsten mit Beratung, dem Angebot von Entwicklungsgesprächen und mit viel Transparenz im Kitaalltag, um die Sprachbildung zu veranschaulichen. Zur Vermeidung von Sprachbarrieren und für eine bessere Verständigung helfen bei Bedarf zertifizierte Dolmetscher*innen, damit die Erfahrungen und Bedürfnisse aller Eltern bestmöglich gehört und erkannt werden. Letztlich zeigt sich für uns immer wieder, dass sowohl die Eltern als auch die Kita dasselbe Ziel haben: Glückliche Kinder auf ihrem Lebensweg zu begleiten und zu unterstützen.

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In den letzten Jahren arbeiten zunehmend Erzieher*innen mit internationaler Familiengeschichte in den Kitas. Welche Chancen ergeben sich hierdurch?
Wir haben keine konkreten Zahlen über die Anzahl der Pädagog*innen mit internationaler Familiengeschichte in den Kitas, können aber davon ausgehen, dass sich bei rund 4.000 Beschäftigen die Kölner Bevölkerung entsprechend in den rund 220 Kindertagesstätten widerspiegelt. Die mehrsprachige Kompetenz der Erzieher*innen bietet im Alltag die Chance, die Herkunftssprachen der Kinder noch einmal anders aufgreifen zu können. Sprachenvielfalt unter den pädagogischen Fachkräften erleichtert die Verständigung und Zusammenarbeit mit den Familien und ist eine Bereicherung für jede Kita.

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Wie schätzen Sie die Bedeutung der Einbeziehung von Mehrsprachigkeit und kultureller Diversität sowie der engen Kooperation von Erzieher*innen und Eltern für die Entwicklung der Kinder ein?
Mehrsprachigkeit und kulturelle Diversität der Familien gehören in unseren Kitas zum Alltag. Diese Vielfalt ist nicht nur eine Beschreibung der Realität, sondern in unseren Augen ein Wert an sich. Dabei ist eine gute Zusammenarbeit zwischen Familien und Kita von großer Bedeutung, denn die Kindertagesstätten legen gemeinsam mit den Eltern den Grundstein für die weitere Bildungsbiographie der Kinder. Das städtische Qualitätshandbuch, welches 2019 in einem Qualitätsentwicklungsprozess mit Beschäftigten, Kindern und Eltern erarbeitet wurde, definiert die Qualitätsansprüche und Qualitätskriterien zur Umsetzung von Mehrsprachigkeit und kultureller Vielfalt im Kita-Alltag. Sprache, Spracherwerb und die Sprachentwicklung spielen dabei eine wesentliche Rolle. Wenn zu Hause und in der Kita viel gesprochen und gelesen wird, wenn Kinder zum Sprechen ermuntert werden, egal in welcher Sprache, entwickelt sich die Sprechfreude der Kinder und bildet einen hervorragenden Grundstein für alle Sprachen. Die Erstsprachen der Kinder anzuerkennen und in die tägliche Arbeit einzubeziehen, gibt den Kindern auch von Beginn an Sicherheit und Geborgenheit und schafft die Basis für eine wertschätzende und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Familien. Dadurch erfahren die Kinder, dass sie mit ihrer Familie, ihrer Religion, ihrer Kultur und ihrer Sprache wertgeschätzt werden, was sie in ihrer Entwicklung hin zu einem positiven Selbstbild unterstützt.

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Sind Maßnahmen geplant, um die Themen Mehrsprachigkeit und kulturelle Diversität weiterhin und langfristig in den Kitas zu implementieren?
Die Themen Mehrsprachigkeit, interkulturelle Kompetenzen und kultursensibles Handeln sind ja bereits im städtischen Qualitätshandbuch konzeptionell verankert. Durch die sogenannte „Interne Evaluation“ findet eine kontinuierliche Qualitätsentwicklung statt, wie sie auch im Kinderbildungsgesetz NRW vorgesehen ist. Darüber hinaus bestehen seit 2017 finanzielle Fördermöglichkeiten für die freien Träger, Bilingualität und Mehr-sprachigkeit in Kitas stärker einzubeziehen und zu fördern. Die Stadt hält hierfür ein Budget vor, welches abgerufen werden kann und auch in Zukunft als Anreizsystem zur Förderung der Mehrsprachigkeit in Kindertagesstätten wirken soll. In unseren städtischen Kitas werden zur Qualifizierung, Weiterentwicklung und Stärkung der Pädagog*innen fortlaufend Fachtage und Fortbildungen zu den Themen „Mehrsprachigkeit“ und „Kulturelle Diversität“ angeboten. So haben wir gemeinsam mit dem ZMI im Mai 2022 bereits zum zweiten Mal erfolgreich einen Fachtag zum Thema „Mehrsprachigkeit in Kitas“ durchgeführt – dieses Mal mit dem zusätzlichen Fokusthema „Zusammenarbeit mit Familien“. Es ist unheimlich wichtig, dass durch Institutionen wie das ZMI interessierte Fachleute und Eltern auch in Zukunft zum Thema Mehrsprachigkeit informiert und Möglichkeiten des Austauschs geschaffen werden.