Heterogenität im öffentlichen Bild – Für eine gelungene Darstellung der mehrsprachigen Elternkooperation
von Silvio Vallecoccia • Artikel im ZMI Magazin 2023, S. 33
Wir haben Bilder im Kopf: Bilder, die aus Texten entstehen, Bilder, die wir vorübergehend wahrnehmen, die in Schulbüchern, Broschüren oder im Internet veröffentlicht werden. Diese Bilder prägen unsere Art der Wahrnehmung und unser Gedächtnis. Sie beeinflussen unser Verständnis sowie unsere Schlussfolgerungen bezüglich der gesellschaftlichen Entwicklung.
In meiner Masterarbeit an der Universität zu Köln in interkultureller Kommunikation und Bildung hatte ich die Möglichkeit, die Heterogenität im öffentlichen Bild zu untersuchen. Abgeleitet von einigen theoretischen Ansätzen der Migrationssoziologie habe ich die ca. 6.500 auf der Webseite der Stadt Köln veröffentlichten Bilder untersucht und dabei die bildliche Darstellung von Diversität analysiert. Der Fokus lag darauf, die dargestellten Differenzen in ihrer nicht bedeutungsneutralen Visualisierung von Diversität darzulegen und ihre Wirkung „im Schnittfeld des Verhältnisses von Wissen, Macht und Subjektkonstitution“ aufzuzeigen (Dirim/Mecheril 2018: 22). Man kann Bilder als „wirklichkeitstragendes und -konstituierendes Phänomen verstehen“, das die Realität beeinflusst. Insbesondere, „weil Diskurse in komplexer Weise mit Institutionen […] verbunden sind, konstituieren sie sich als ‚materielle Wirklichkeit‘“ (Dirim/Mecheril 2018: 23). Das bedeutet, die Art der Sprache und der Darstellung beeinflusst die Wirklichkeit ganz konkret und beschränkt unsere Wahrnehmung und unser Verständnis zugleich. Das gilt auch für Fotografien, die „niemals ein adäquater, unmanipulierter Realitätsersatz“ (Lobinger 2012: 111) sein können. Fotografien stellen immer ein begrenztes, momentanes und ausgewähltes Bild der wahrgenommenen Realität dar. Schließlich erweisen sich Bilder als „resistent gegenüber nachträglichen Relativierungen, selbst wenn sich die Aussagen als falsch entpuppen“ (Lobinger 2012: 81). Als Ergebnis meiner Untersuchung stellte ich fest, dass besonders Menschen, die in sich selbst Zeichen und Geschichten einer migrationsbedingten Heterogenität tragen, durch bildliche Darstellungen teilweise diskriminiert werden. Sie werden wiederholt einer Gruppe von nicht-deutschsprechenden, nicht-sesshaften, hilfsbedürftigen, sozio-kulturell und sozio-ökonomisch defizitären Menschen zugeordnet.
Diese Darstellung wird der steigenden Komplexität der Kölner Stadtgesellschaft nicht gerecht, die von einer zunehmenden Super-Diversität geprägt ist. Stadtentwicklung und Urbanisierung sind ohne Migrationsbewegungen kaum denkbar. Laut Sinus-Migrantenmilieu-Studie 2018 sind „Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland keine besondere und schon gar keine homogene Gruppe […]. Die Pluralisierung der Gesellschaft setzt sich fort, auch im migrantischen Segment. Dabei unterscheiden sich die Migranten-Milieus weniger nach ethnischer Herkunft als nach ihren Wertvorstellungen und Lebensstilen“. Es stellt sich daher die Frage, wie es – auch durch eine angemessene bildliche Darstellung – gelingen kann, „auf die aus der Vervielfältigung von Migrationswegen, Herkünften und Traditionen resultierenden Veränderungen aufmerksam zu machen“ (Gogolin/Duarte 2018: 68).
Im „Konzept zur Stärkung der integrativen Stadtgesellschaft“ der Stadt Köln wird die zentrale Rolle der Elternarbeit für den Bildungserfolg der Kinder und Jugendlichen hervorgehoben. „Wichtig ist dabei, dass Eltern mit Zuwanderungsgeschichte als gleichberechtigte Partnerinnen und Partner wahr- und ernstgenommen werden“. Es gibt bereits bestehende Projekte, wie „Rucksack Schule“ oder „Eltern mischen mit“, die eine aktive Elternbeteiligung und die mehrsprachigen Kompetenzen der Eltern als zentral für die Förderung der Sprachentwicklung sowie für die positive Veränderung des Schulalltags sehen. Die Stadt Köln fragt sich, wie „punktuell bereits sehr erfolgreiche Maßnahmen […] der interkulturellen Elternarbeit flächendeckend und kommunal verbindlich institutionalisiert werden können“. Vernetzung, Kooperationsmodelle und Elternbeteiligung im Bildungsprozess werden als Ziele und Handlungsempfehlungen formuliert. Die Umsetzung des „Konzeptes zur Stärkung der integrativen Stadtgesellschaft“ wurde von zwei weiteren Dokumenten begleitet, die eine Bestandaufnahme der Maßnahmen zusammengefasst haben und Maßnahmenempfehlungen formuliert haben. In diesen Dokumenten werden die Eltern allerdings mehr als Zielgruppe von Informationsprojekten und weniger als Partner*innen einer gelungenen Elternkooperation unter Einbeziehung der Mehrsprachigkeit gesehen. Und auch meine Untersuchung zur bildlichen Darstellung auf der Website der Stadt Köln hat gezeigt, dass polarisierende und stigmatisierende Darstellungen auf der Website vorhanden sind, die einer gleichberechtigten Zusammenarbeit entgegenstehen können.
Wie kann also die aktive Elternrolle der Familien mit internationalen Geschichten auch auf der Webseite der Stadt Köln bildlich dargestellt werden?
Meine Untersuchung hat gezeigt, dass Bilder eine zentrale Rolle im Kommunikationsprozess spielen. Gleichzeitig wurde deutlich, dass die offizielle Webseite der Stadt Köln noch keine visuelle postmigrantische Wende bei der Darstellung der Stadtgesellschaft vollzogen hat. Die Darstellungen sind teilweise polarisierend. So werden Gegensätze wie deutschsprachig – nichtdeutschsprachig, sesshaft – nichtsesshaft, empfangende – ankommende, dazugehörende – nichtdazugehörende usw. bildlich reproduziert. Es lassen sich außerdem bildliche Assoziationen zwischen migrationsbedingter Heterogenität und sozialproblematisierenden Bereichen feststellen, die „die Wahrnehmbarkeit von Zwischentönen und Grauzonen“ erschweren, die in der Stadtgesellschaft reichlich vorhanden sind. Eine ausgewogene bildliche Darstellung von Eltern und Kindern mit internationaler Geschichte ist aber wichtig und könnte einen wesentlichen Beitrag zur wertschätzenden Förderung der kulturellen sprachlichen Vielfalt leisten.
Um dies zu erreichen, ergeben sich anhand der Datenanalyse mindestens drei Handlungsempfehlungen für zukünftige Veröffentlichungen:
1. Abgeleitet aus dem Konzept des „Rechtes auf Opazität“ ergibt sich die Forderung, die teilweise polarisierenden Darstellungen bzw. bildlichen Assoziationen zwischen migrationsbedingter Heterogenität und sozialproblematisierenden Bereichen zu reduzieren bzw. zu vermeiden.
2. Es empfiehlt sich, die Veröffentlichung von Bildern, die eine ausgewogene Darstellung von Diversität bieten, zu verstärken bzw. zu intensivieren. „Bei der Auswahl sollte nach Möglichkeit ‚Vielfalt‘ abgebildet werden in Form der Abbildung unterschiedlicher Geschlechter, von Menschen mit und ohne Behinderung, von jungen und alten Menschen sowie Personen verschiedener […] Herkunft. Klischees und Stereotypen sind zu vermeiden, um Vorurteile abzubauen und zu beseitigen“.
3. Eine regelmäßige Überprüfung der veröffentlichten Bilder migrationsbedingter Heterogenität anhand einer kritischen visuellen pädagogischen Kompetenz ist notwendig.