Klausurtagung des Verbundes Kölner Europäischer Grundschulen 2024 – Diskussion, Reflexion und konkrete Zielsetzungen

Klausurtagung des Verbundes Kölner Europäischer Grundschulen 2024 – Diskussion, Reflexion und konkrete Zielsetzungen

von Rahel Thiveßen

Vom 28.05. bis 29.05.2024 fand die Klausurtagung des Verbundes Kölner Europäischer Grundschulen mit dem Schwerpunkt-thema „Rassismus in der Grundschule“ statt.
Im Rahmen der Klausurtagung blickte als Expertin für sprachbewussten Unterricht Prof. Dr. Hägi-Mead gemeinsam mit den Schulleitungen der Verbundschulen und der Geschäftsführung des ZMI mithilfe dreier Verortungen auf Mehrsprachigkeit.*
Die erste Verortung bezog sich auf das 3-Kreise-Modell (Hägi-Mead/Tajmel 2023), auf dessen Grundlage Prof. Dr. Hägi-Mead auf die Involviertheit von Sprach(en)vermittlung in Machtverhältnisse hinwies.
Als zweite Verortung stellte Prof. Dr. Hägi-Mead unterschiedliche migrations-wissenschaftliche Perspektiven nach Döll (2023) im historischen Verlauf vor, die gemeinsam mit den Schulleitungen diskutiert wurden. Diese Perspektiven werden hier kurz zusammengefasst: Die seit den 70er-Jahren vorherrschende Perspektive der Immigration, die mit der sogenannten „Ausländerpädagogik“ verknüpft ist, stellte Prozesse und Bedingungen von Ein- und Auswanderung in den Mittelpunkt. Dabei wurden Assimilationsmodelle herangezogen, was zur Folge hatte, dass der „Erwerb des Deutschen“ im Zentrum stand. Der Fokus des HSU lag entsprechend auf dem Erwerb bzw. Erhalt der Herkunftssprache, mit dem Ziel einer „Rückkehr“. Die anschließende Perspektive der multikulturellen Gesellschaft, die in Zusammenhang mit der „Interkulturellen Pädagogik“ steht, nahm eine Kritik an der „Ausländerpädagogik“ vor und hob durch ein „Ja zur Vielfalt“ das Anders-Sein hervor. Verschiedene „kulturelle und ethnische Gruppen“ wurden in dieser Perspektive als selbstverständlicher Bestandteil der Gesellschaft betrachtet. Das Interesse an anderen Sprachen rückte dadurch in den Blick, sodass eine proaktive Erziehung zu Mehrsprachigkeit für alle angestrebt wurde. Prof. Dr. Hägi-Mead erläuterte die damit auch verbundene Gefahr einer Essentialisierung von kultureller Identität, bei der alle Unterschiede zwischen Menschen auf die Kultur bezogen und andere Unterschiede außer Acht gelassen werden. Diese ersten beiden beschriebenen Perspektiven bewegen sich im sog. „Happyland“ (Ogette 2017), wobei Dimensionen der Machtverhältnisse und rassistischer Diskriminierung ausgeblendet werden. Innerhalb der dritten Perspektive der Transmigration bzw. Postmigration werden hingegen stärker sozial-räumliche Dimensionen in den Blick genommen und es findet eine macht-, gesellschafts-, diskriminierungskritische Reflexion statt.
Prof. Dr. Hägi-Mead führte aus, dass eine Auseinandersetzung mit dem sich selbst Befinden im „Happyland“ oft mit Scham behaftet sei, doch eine Reflexion dringend notwendig ist, um aus dem „Happyland“ herauszutreten und zu erkennen, dass es keinen Raum ohne Rassismus gebe. Prof. Dr. Hägi-Mead hob in ihrem Vortrag hervor, dass es dabei nicht nur um rechtsextremen Rassismus gehe, sondern dass es einen weniger greifbaren, aber gleichermaßen wirksamen, alltäglichen Rassismus gebe, der strukturell verankert sei und alle betreffe. Der Begriff der „Rassismuskritik“ innerhalb der beschriebenen dritten Perspektive drücke diese Haltung der kritischen Auseinandersetzung und Selbstreflexion in Bezug auf Rassismus aus. Die Bedeutung von Sprache in diesem Zusammenhang wurde im Rahmen des Vortrags besonders hervorgehoben: Durch Sprache werden Machtverhältnisse deutlich. Aus dem Plenum der Schulleitungen wurde ergänzt, dass die veränderten Begrifflichkeiten aufzeigten, dass die Thematiken in der Gesellschaft besprochen und weiterentwickelt würden. Gleichzeitig wurde betont, dass auch die entsprechenden Konzepte mitentwickelt werden müssten.
Als dritte Verortung nahm Prof. Dr. Hägi-Mead Bezug auf 6 Phasen nach Nieke 2008 (Döll 2023) und betrachtete dabei insbesondere die aktuelle 6. Phase des Neo-Assimilationismus: Der Diskurs falle in dieser Phase hinter den Stand der 1980er-Jahre zurück. Haltungen wie „Alle haben dieselben Chancen“ oder „Man muss sich (nur) anstrengen“ seien wieder stärker vertreten und das „Deutschlernen“ rücke wieder vermehrt in den Vordergrund, was sich auch auf Diskussionen um den HSU auswirke.
Auf Grundlage der dargestellten Erkenntnisse entstand im Rahmen der Klausurtagung eine angeregte und konstruktive Diskussion über die Möglichkeiten und Herausforderungen aus der Perspektive der Schulleitungen. Einigkeit bestand darüber, dass die Themen „Rassismuskritik“ und „Mehrsprachigkeit“ von enormer Bedeutung seien. Es wurde resümiert, dass die Schulleitungen in einer machtvollen und verantwortungsvollen Position seien und sich gerade dadurch dafür einsetzen sollten, dass Personen in nicht machtvollen Positionen geschützter seien: Bildungsinstitutionen sollten die Aufgabe übernehmen, auf Veränderungen und Unsicherheiten in der Gesellschaft vorzubereiten.
Deutlich wurde dabei auch, dass aus Sicht der Schulleitungen insbesondere der Zugang zu entsprechenden Informationen sowie Prozesse der Selbstreflexion notwendig seien, um das Thema Rassismuskritik nachhaltig in den schulischen Alltag zu bringen. Die aktuellen Leitlinien wurden dazu als gute Grundlage angesehen. Unter Berücksichtigung des Inputs von Prof. Dr. Hägi-Mead sollen diese weiter überarbeitet werden. Die Schulleitungen waren sich einig darüber, dass es wichtig sei, den rassismuskritischen Ansatz auch in den Unterricht zu integrieren. Entscheidend dafür sei, die Kollegien in der eigenen Auseinandersetzung mit den Themen Rassismus und Rassismuskritik eng zu begleiten und entsprechende Informationen sowie Austauschmöglichkeiten zu bieten.
Auf dieser gemeinsamen Basis wurden im Rahmen der Klausurtagung abschließend konkrete Zielsetzungen und nächste Schritte für den Verbund festgelegt und terminiert. So fanden bereits am 01. und 02. Oktober 2024 zwei Konferenzen für Lehrkräfte und für Kolleg:innen aus der Ganztagsbetreuung statt, in denen erneut Prof. Dr. Hägi-Mead einen spannenden Input gab, der als gute Grundlage dient, um das Thema Rassismuskritik an den Schulen des Verbundes Kölner Europäischer Grundschulen weiter aufzugreifen und zu festigen.


* Die folgenden inhaltlichen Ausführungen zu den drei von Prof. Dr. Hägi-Mead vorgestellten Verortungen basieren auf ihrem Vortrag bei der Klausurtagung.

Genannte Literatur:
Döll, Marion (2023). Zum Verhältnis von inklusiver Pädagogik, Migrationspädagogik und Deutsch als Zweitsprache. In: Marion Döll/Magdalena Michalak (Hrsg.). Deutsch als Zweitsprache und Inklusive Bildung. Münster: Waxmann, 11-27.
Hägi-Mead, Sara/Tajmel, Tanja (2023): Sprachbewusstheit und Mehrsprachigkeit in der Unterrichtsplanung. In: Wildemann, Anja/Bien-Miller, Lena (Hrsg.): Sprachbewusstheit. Perspektiven aus Forschung und Didaktik. Wiesbaden: Springer VS. 451-490.
Nieke, Wolfgang (2008). Interkulturelle Erziehung und Bildung. Wertorientierungen im Alltag. Wiesbaden: Springer VS.
Ogette, Tupoka (2017). Exit RACISM: rassismuskritisch denken lernen. Münster: UNRAST.