Interview mit Dr. Thomas Wilk – Regierungspräsident der Kölner Bezirksregierung – zur Mehrsprachigkeit

Interview mit Dr. Thomas Wilk – Regierungspräsident der Kölner Bezirksregierung – zur Mehrsprachigkeit

Artikel im ZMI Magazin 2023, S. 6

Dr. Thomas Wilk ist seit dem 01.09.2022 Regierungspräsident der Kölner Bezirksregierung. Nach seiner Ausbildung zum Diplom-Verwaltungswirt studierte er Rechtswissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum und war bis 2005 als Justiziar bei der Stadt Bochum beschäftigt. Als Dezernent war er bei der Bezirksregierung Arnsberg tätig und danach bis 2010 Referent beim Innenministerium NRW. Drei Jahre lang war Dr. Thomas Wilk Beigeordneter der Stadt Gladbeck, wechselte danach als Kreisdirektor zum Kreis Unna und übernahm 2018 die Abteilung Bauen sowie BIM-Competence-Centers im Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen. Im Interview mit Rosella Benati vom ZMI spricht der Regierungspräsident aus seiner beruflichen und persönlichen Perspektive über Mehrsprachigkeit, die Rolle von Eltern und die weitere Zusammenarbeit mit dem ZMI.

Sehr geehrter Herr Dr. Wilk, Sie haben in Ihrer Laufbahn eine Reihe von Positionen in unterschiedlichen Verwaltungsinstitutionen innegehabt. Inwiefern spielte das Thema Mehrsprachigkeit aus diesen verschiedenen Perspektiven heraus eine Rolle?
Dr. Thomas Wilk: Zunächst einmal stelle ich in all meinen Funktionen fest, dass ich mit unterschiedlichen Sprachen vergleichsweise wenig zu tun habe. Das hat auch damit zu tun, dass nach wie vor viele Personen die Ansicht vertreten, dass die Amtssprache Deutsch ist. Ich glaube, dass wir uns da verändern müssen und dass wir zu einer deutlichen Internationalisierung kommen. Ich denke auch, dass wir viel mehr Menschen mit Migrationshintergrund in unseren Verwaltungen benötigen, weil sie unterschiedliche Kompetenzen mitbringen – unter anderem auch unterschiedliche Sprachkompetenzen. Aus diesem Grund machen wir gegenwärtig bei der Bezirksregierung Köln auch eine Abfrage, welche Sprachkompetenzen es bei uns im Haus gibt. Ich selbst hatte in meiner Laufbahn am ehesten im Zusammenhang mit Städtepartnerschaften und als Kulturdezernent punktuelle Kontakte mit verschiedenen Sprachen. Aktuell bei der Bezirksregierung Köln bestehen Anknüpfungspunkte zu anderen Sprachen bei dem Thema der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Allerdings muss ich dazu sagen, dass die Kolleg:innen – sei es aus Belgien oder den Niederlanden – da immer sehr entgegenkommend sind und sehr viel und sehr gutes Deutsch sprechen. Leider ist es bei den deutschen Behörden so, dass man bislang relativ wenig andere Sprachen braucht. Ich glaube aber, dass die Globalisierung und auch der demographische Wandel nur funktionieren können, wenn wir mehr Personen mit Migrationshintergrund und verschiedenen Sprachkompetenzen in unsere Verwaltung holen.
Sie haben bereits angesprochen, dass Sie in ihrer neuen Position als Regierungspräsident Schritte zum Thema Mehrsprachigkeit gehen wollen, indem Sie eine Spracherhebung machen. Mit der Sprache ist immer auch eine Kultur verbunden und das ist bedeutsam – sowohl in der Übersetzung als auch in der Begegnung mit Menschen, die sich an uns wenden. Was ist Ihnen bezüglich der Förderung von Mehrsprachigkeit noch wichtig?
Dr. Thomas Wilk: Wir haben es gerade in diesem Jahr, so wie wir es auch 2015 und 2016 hatten, mit wahnsinnig vielen zugewanderten Menschen zu tun. Wenn man offen auf diese Menschen zugeht und sie – wenn auch nicht in ihrer Heimatsprache, zum Beispiel Ukrainisch – dann zumindest auf Englisch anspricht, ist das eine Form von Respekt, die man den Menschen entgegenbringt. So werden Barrieren abgebaut, weil eine Verständigung unmittelbar und ohne Dolmetscher:in möglich ist. Natürlich kann ein Dolmetscher bzw. eine Dolmetscherin sehr hilfreich sein, aber es führt natürlich dazu, dass es kein persönliches Gespräch wird. Auch deshalb ist es mir wichtig, dass wir wissen, wer bei uns in der Bezirksregierung mit welchen sprachlichen Hintergründen vertreten ist. Wir können dann je nach Anlass eine Person aus unserem Haus zu einem Gespräch dazu bitten, um das Gespräch überhaupt zu ermöglichen, ohne eine externe Person zum Übersetzen dazu zu holen.
Sie möchten den Regierungsbezirk Köln als Wissensstandort weiter voranbringen. Wie kann das ZMI als Kooperationseinrichtung der Bezirksregierung Köln, der Stadt Köln und der Universität zu Köln aus Ihrer Sicht dazu beitragen?
Dr. Thomas Wilk: Ich halte diese Kooperation für sehr, sehr wichtig. Die Themen Mehrsprachigkeit und Internationalisierung sowie die gesamte interkulturelle Komponente werden immer bedeutsamer. Deshalb ist es mir ein Anliegen, dass wir als Bezirksregierung oder auch als Arbeitsstelle Migration weiterhin als verlässlicher Kooperationspartner da sind und gemeinsam mit dem ZMI über verschiedene Bildungsabschnitte hinweg und sprachenübergreifend am Ausbau von Angeboten arbeiten. Hinzu kommt, dass wir bestimmte globale Entwicklungen haben und jüngste geopolitische Veränderungen, die deutlich machen, dass die Themen Integration und Migration zentrale Säulen einer demokratischen Gesellschaft sind. Davon bin ich tief überzeugt. Ich stelle auch fest, dass wir in vielen Bereichen versuchen, Integration zu ermöglichen und dass es auch ganz unterschiedliche Bereiche gibt, die hilfreich sind, damit Integration gelingt. Gerade bei den jungen Menschen ist das beispielsweise der Sport. Ich sehe das bei meinem Sohn, der in einem Sportverein ist. Da spielen die verschiedenen Kulturen und die Unterschiede überhaupt keine Rolle. Die Kinder verständigen sich wunderbar untereinander und daran sieht man, wie bedeutsam Integration ist. Aus meiner Sicht ist vor allem das gegenseitige Verstehen wahnsinnig wichtig und gerade deswegen möchte ich Ihre Arbeit auch unterstützen.
Das Jahresthema 2022 und 2023 des ZMI ist „Elternkooperation und Mehrsprachigkeit“. Inwiefern können Strukturen geschaffen werden, die die Rolle der Eltern durch Einbeziehung der Mehrsprachigkeit in Bildungsprozesse stärken?
Dr. Thomas Wilk: Ich bin selber Vater von zwei Kindern und bekomme auch viel aus den Freundeskreisen meiner Kinder und aus den unterschiedlichen Kulturkreisen und sprachlichen Hintergründen der Familien mit. Dabei fällt mir immer wieder auf, wie wichtig die Rolle der Eltern ist und inwieweit die Eltern eingebunden und über bestimmte Dinge aufgeklärt und informiert sein sollten. Zumindest bei den jüngeren Kindern ist festzustellen, dass die Kinder selbst überhaupt keine Vorurteile haben, sondern es sind häufiger die Erwachsenen, die Vorurteile auf ihre Kinder übertragen. Da ist mir wichtig, dass die Eltern ihre zentrale Rolle verantwortungsvoll wahrnehmen und Vorurteilen nicht Vorschub leisten. Für mich sind die wichtigsten Werte, die man Kindern vermitteln kann, Respekt und Toleranz. Wenn man danach lebt und mit diesen Werten auf Menschen zugeht, dann kommt es auf die Unterschiede gar nicht so sehr an.
Zum Schluss möchten wir Ihnen gerne eine Frage stellen, die über den Berufskontext hinausgeht. Welche Bedeutung hat Mehrsprachigkeit in Ihrer persönlichen Biographie?
Dr. Thomas Wilk: Ich selbst habe und hatte mit Mehrsprachigkeit am meisten bei Reisen zu tun. Ich erinnere mich daran, dass ich mir früher vorgenommen hatte, einmal auf allen Kontinenten gewesen zu sein. Das habe ich zwar noch nicht geschafft, aber mir war es wichtig, nicht nur in die Nachbarländer zu fahren, sondern auch in andere Kulturkreise. Außerdem bin ich persönlich immer sehr bemüht, mich zu informieren – auch über Konflikte, die in verschiedenen Ländern oder Gegenden herrschen – und zu versuchen, die Hintergründe zu verstehen. Das ist natürlich immer auch eine Horizonterweiterung. Daher ist es mir auch ein Anliegen, die verschiedenen Kulturen und auch Sprachen kennenzulernen und man sollte sich auch trauen, die Sprachen dann zu sprechen, und keine Angst vor Fehlern haben. Man stellt es ja umgekehrt selber fest, wenn zugewanderte Menschen in Deutschland versuchen, Deutsch zu sprechen: Niemand kritisiert, wenn sie die Fehler machen, sondern man freut sich darüber, dass sie es versuchen und man versteht sich auch.
Vielen Dank, Herr Doktor Wilk.