Interview mit den Kita-Leiterinnen Natalia Lang und Elvira Wall

Interview mit den Kita-Leiterinnen Natalia Lang und Elvira Wall

Die Fragen stellte Rosella Benati, ZMI-Zentrum für Mehrsprachigkeit und Integration • Artikel im ZMI Magazin 2017, S. 21

Seit 2013 sind Sie mit Ihrer bilingualen Kita in Köln Buchforst. Wie haben die Eltern auf die Eröffnung der Kita reagiert? Woher kommen die Familien? Von hier oder auch von anderen Stadtteilen?
Frau Lang: Als wir unsere Kita im August 2013 öffneten, waren unsere Eltern begeistert. Da sie schon im Voraus viele Informationen von unserer ersten bilingualen Kita in Zündorf, der Kita Goldfisch, bekommen hatten, warteten viele bereits lange auf die Öffnung unserer neuen Kita in Köln Buchforst. Die Familien kommen nicht nur aus Köln, sondern auch aus Bergisch Gladbach, Overath, Troisdorf und Bonn. Sie nehmen die langen Anfahrtswege gern in Kauf.
Aus welchen Gründen melden Eltern ihre Kinder in einem zweisprachigen Kindergarten an? Und nicht in einem, in welchem nur Deutsch gesprochen wird?
Frau Wall:Der wichtigste Grund ist natürlich die Beibehaltung und Weiterentwicklung von zwei Sprachen, Deutsch und Russisch. 90 Prozent der Eltern kommen zu uns, weil sie ihre Kinder zweisprachig aufwachsen lassen möchten.
Sprechen die Familien zu Hause beide Sprachen?
Frau Wall: Das ist sehr unterschiedlich. Es gibt Eltern, die waren selbst höchstens sechs Jahre alt, als sie nach Deutschland gekommen sind. Ihr Russisch ist daher weniger entwickelt, als sie es sich wünschen würden. Zu ihrer Zeit gab es noch nicht so viele Möglichkeiten, Russisch als Familiensprache zu pflegen. Das wollen sie bei ihren Kindern anders machen. Zuhause wird in manchen Familien viel Deutsch gesprochen, in anderen Familien dominiert jedoch das Russische, was den Kindern dann aufgrund ihres fließenden Russischs anzumerken ist.
Frau Lang: Wir haben auch Familien mit anderen Sprachkombinationen, z.B. Italienisch-Russisch oder Tschechisch-Russisch. Diese sprechen manchmal sogar drei Sprachen in einer Familie. Welche dann wieviel, ist dabei ganz unterschiedlich.
Ist das bei Ihnen auch so, dass viele Eltern im Dialekt sprechen und nicht in der Hochsprache?
Frau Wall: Ja, das ist bei mir persönlich beispielsweise auch so gewesen. Ich bin damals mit 13 Jahren nach Deutschland gekommen und mein Wissenstand, was die russische Sprache anbetrifft, ist natürlich nicht so hoch wie bei Frau Lang zum Beispiel. Das ist auch zu hören. Ich spreche mit Akzent. Ich spreche Deutsch mit Akzent, aber auch Russisch mit Akzent. Wenn ich jetzt nach Russland fahre, dann sagen sie dort zu mir, dass ich keine Russin bin. Dies liegt tatsächlich an meinem Akzent.
Und wie ist das mit Ihrer Biographie, Frau Lang, warum sprechen Sie so gut Russisch?
Frau Lang: Meine Muttersprache ist Russisch. Mein Mann ist Spätaussiedler und ich bin mit ihm mit 28 Jahren nach Deutschland gekommen. Vorher habe ich in Russland studiert und gearbeitet. Von daher habe ich viel Erfahrung damit, auf Russisch zu sprechen und zu arbeiten.
Welche pädagogischen Ansätze haben Sie? Wie spiegelt sich das bilinguale Geschehen im Alltag wider?
Frau Wall: Wir arbeiten mit dem Prinzip der Immersion. Das ist uns ganz wichtig. Wir arbeiten in Gruppen. Der ganze Alltag findet immer zweisprachig statt. Also: Beide Sprachen sind immer präsent. Die Kinder haben daher die Möglichkeit, sich in beiden Sprachen zu entwickeln. Zusätzlich ist bei uns der Tagesablauf sehr strukturiert. Das hilft den Kindern auch, für sich eine gewisse Struktur zu entwickeln. Sie wissen dann, mit dieser Erzieherin hab ich jetzt jene Aktivität und sie spricht dabei nur Russisch.
Also eine Person – eine Sprache?
Frau Wall: Richtig, das ist ganz wichtig. Wir sorgen dafür, dass in jeder Aktivität auch zwei Erzieherinnen und damit zwei Sprachen vertreten sind.
Man lernt nirgendwo so richtig, bilingual zu arbeiten. Wie bringen Sie Ihre Erzieherinnen auf den aktuellen Wissensstand?
Frau Wall: Heutzutage gibt es ein großes Angebot an Weiterbildungen, was Mehrsprachigkeit betrifft. Davon haben wir auch schon einiges wahrgenommen. Und natürlich unterstützen wir am Anfang jede Erzieherin, die neu zu uns kommt. Wir versuchen soweit es geht, die ganzen Prozesse unseres Alltags zu erklären und zu zeigen. Dies ist natürlich bei uns ein bisschen anders, wodurch wir auch mehr investieren müssen.
Ja, das glaube ich! Was haben Sie für Fortbildungen gemacht? Sie erwähnten, dass das Angebot groß wäre, das hat mich neugierig gemacht.
Frau Wall: Wir hatten uns eine Referentin gesucht, die das Thema Mehrsprachigkeit in den Fokus genommen hat. Da wir alle Unterlagen zu den Bildungsdokumentationen nur auf Deutsch zur Verfügung gestellt bekommen, müssen wir viel umdisponieren, da die beiden Sprachen sehr schwierig miteinander zu vereinbaren sind. Außerdem hatten wir eine Fortbildung für den U3- Bereich, wobei ebenfalls der Fokus auf Mehrsprachigkeit gelegt wurde. Also wir besprechen im Voraus alles mit den Referentinnen.
Also äußern Sie eher Ihre Wünsche? Es kommt nicht jemand zu Ihnen und bietet Ihnen etwas zum Bereich der Mehrsprachigkeit an?
Frau Wall: Nein, das gibt es nicht. Wir suchen uns schon selber etwas aus und besprechen vor der Buchung, ob es für die Person überhaupt möglich ist, uns so etwas anzubieten.
In welche Grundschule werden die Kinder im Anschluss an den Kindergarten eingeschult? Gibt es Möglichkeiten einer fortführenden bilingualen Grundschule?
Frau Wall: Eine deutsch-russische Grundschule existiert in Köln nicht. In Berlin sieht das hingegen jetzt anders aus und die Kinder, die unsere Kita in Berlin besuchen, haben die Möglichkeit auf diese Schule zu gehen. Natürlich gehen nicht alle Kinder dort hin und auch in dieser Schule existiert aufgrund des hohen Andrangs eine Warteliste.
Wie sehen Ihre Erfahrungen aus? Können Sie ein Fazit ziehen und was würden Sie anderen bilingualen Sprachgruppen empfehlen?
Frau Wall: Es gab Höhen und Tiefen. Man muss dranbleiben, nicht aufgeben und die Bereitschaft haben, sich weiter zu entwickeln. Wichtig ist auch, sich Unterstützung von verschiedenen Seiten zu holen. Von den Eltern, von Behörden, aus allen Richtungen. Wir haben natürlich nach acht Jahren immer noch Schwierigkeiten. Es kommt immer wieder etwas Neues dazu und wir lernen daraus. Vielleicht wäre ein Portal mit anderen bilingualen Kitas sinnvoll.
Hat es Ihnen geholfen, dass Sie mehrere Kitas bundesweit sind?
Frau Wall: Ja, auf Jeden Fall!
Frau Lang: Ich rede mit vielen russischsprachigen Eltern. Sie machen sich große Sorgen darüber, ob ihr Kind genügend Deutsch in unserer Kita lernt, um danach auf eine Schule gehen zu können. Sie fragen sich, ob sie ihr Kind deswegen lieber in einer deutschsprachigen Kita anmelden sollen. Andererseits wünschen sie sich die Weiterentwicklung der russischen Sprache ihres Kindes. Die Eltern befinden sich also in einem Dilemma. Daher eine große Bitte an mehrsprachige Familien: Sie müssen keine Angst haben. Wir leben in Deutschland und unsere Kinder bekommen daher die deutsche Sprache mit. Mein Sohn, mit dem ich nur Russisch spreche, hat nun als Schulkind Probleme mit seinem Russisch, so dass ihm manchmal bestimmte Wörter auf Russisch nicht mehr einfallen.
Ja, das Deutsche ist dann dominanter!
Ja. Die Menschen müssen keine Angst haben. Die deutsche Sprache wird sich entwickeln. Die Muttersprache ist auch sehr wichtig und in unserer Kita haben die Kinder die Möglichkeit, diese zu entwickeln.