Ein spannendes Arbeitsfeld: Mehrsprachigkeit in der Vermittlungsarbeit des Museumsdienstes Köln

Ein spannendes Arbeitsfeld: Mehrsprachigkeit in der Vermittlungsarbeit des Museumsdienstes Köln

von Karin Rottmann • Artikel im ZMI Magazin 2011, S. 20

Museen sind wunderbare Orte der Kommunikation, auch und gerade der mehrsprachigen Kommunikation. Es ist interessant zu sehen was passiert, wenn türkisch- und deutschsprachige Schülerinnen und Schüler einer bilingualen Grundschule sich gemeinsam vor einer mittelalterlichen Madonna im Museum Schnütgen darüber unterhalten, dass die christliche Maria im Koran Mariam heißt … und sich anschließend gegenseitig die Geschichten erzählen, die ihnen aus den unterschiedlichen Religionen über Maria und Mariam bekannt sind. Augenblicklich und unmittelbar kommt interkultureller Dialog in Gang – nicht nur angeregt durch die Kunstbetrachtung, sondern vor allem auch gelenkt durch die Auseinandersetzung mit dem Objekt aus verschiedenen, aus unterschiedlichen Perspektiven.

Wer an solchen Veranstaltungen mit multikulturellen und mehrsprachigen Konzepten teilnimmt, dem fällt besonders auf, dass und wie respektvoll Kinder mit den kulturellen und herkunftssprachlichen Hintergründen ihrer Klassenkameradinnen und -kameraden umgehen lernen: Das partnerschaftliche, respektvolle Miteinender ist jedoch nicht allein Erfolg der museumspädagogischen Arbeit, sondern wird wenigstens begünstigt und ergänzt von neuen Unterrichtskonzepten. Ohne bewusstes, sprachsensibles Handeln von Seiten der Lehrkräfte funktionieren die Konzepte nicht: Ist dies gegeben, dann aber können Schule und außerschulischer Lernort Museum gemeinsam sehr viel mehr erreichen als alleine – vor allem, wenn aufeinander abgestimmt an einem Strang gezogen wird. Hier zeigt sich uns seit vielen Jahren, dass viele Menschen in ihren verschiedenen Institutionen und auch als Privatpersonen zusammenwirken müssen, um eine friedvolle multikulturelle und vielsprachige Gesellschaft zu erschaffen.
Der Museumsdienst Köln hat mit seiner interkulturellen Arbeit zum Thema Mehrsprachigkeit Neuland in der Museumspädagogik betreten. Schon seit einigen Jahren verändert sich das Arbeitsfeld durch Elemente aus dem Unterricht in Deutsch als Zweitsprache. Der (Fremd-)Sprachenunterricht hat deutliche Spuren auch in unseren Programmen hinterlassen, ebenso wie die vielen Kinder aus Köln, die kunterbunt mit einer Vielzahl an Sprachen und Kulturen die Museen bevölkern. Sehr intensiv war von Anfang an der Kontakt zum Institut für Deutsche Sprache und Literatur II der Universität zu Köln. Die mit Gabriele Kniffka und ihren Seminaren bereits vor beinahe zehn Jahren erarbeiteten DaF- und DaZ-Programme stellen bis heute das Grundgerüst unserer Methodik dar. Als weitere Pioniere in der Museumspädagogik im Kontext mit dem Sprachunterricht ist Rainer Wicke vom Bundesverwaltungsamt Köln, Jutta Rymarzyk als Anglistin, die heute an der Universität Heidelberg lehrt, und Paul Meyermann vom Sprachlernzentrum der Bonner Universität zu danken.
Über die Reflexion innerhalb der Sprachdidaktik hinaus war es jedoch nicht ganz einfach, geeignete Konzepte für die neuen Zielgruppen zu entwickeln. Wichtig war uns das intensive Gespräch mit Kolleginnen und Kollegen, die uns helfen konnten, die richtigen Weichen zu stellen. Dabei hat uns das ZMI nicht nur fachkompetent beraten, sondern auch unterstützt durch die Bereitstellung finanzieller Mittel, um verschiedene Konzepte erproben und Programme starten zu können.
Die Sprachfeste des ZMI mit den vielen mehrsprachigen Präsentationen haben uns Museumspädagogen inspiriert, das Thema Mehrsprachigkeit in die Vermittlungsprogramme der Museen zu integrieren. Inzwischen ist das Interesse auch der noch nicht beteiligten Museen geweckt – und das hat im Jahr 2011 zu ganz neuen, neuartigen Initiativen geführt: Zur neuen Sonderausstellung im Kölnischen Stadtmuseum ist beispielsweise eine Familientasche zum Ausleihen entstanden, Thema: „Made in Cologne“. Die informativen und lustigen Aufgaben für einen individuellen Familienbesuch werden zurzeit von einer mehrsprachigen Studentengruppe übersetzt.
Hier haben wir einen für die museumspädagogische Arbeit neuen, tragfähigen Ansatzpunkt identifiziert: In der eingangs nur kurz beschriebenen Veranstaltung tauschten sich die Grundschulkinder untereinander auch über Wiegenlieder in deutscher und türkischer Sprache aus – und etwas traurig waren die Kinder, in deren Herkunftssprache kein Unterricht erteilt wurde, weil sie die ausgeteilten Arbeitsblätter nicht in ihrer Sprache ausfüllen konnten … Die kooperative Zusammenarbeit mit den Lehrkräften im Herkunftssprachenunterricht eröffnet hier ganz neue Möglichkeiten.
Eine besondere Form der systematischen Kooperation bedeuten für uns die Fortbildungen für Lehrkräfte des Herkunftssprachenunterrichts an Kölner Schulen. 2009 lud die RAA alle Türkischlehrerinnen und -lehrer zu einem Methodenseminar ins Museum Ludwig ein – und dieser Einladung ist beinahe jeder zweite von ihnen gefolgt. Danach standen mehrere Einzelveranstaltungen für Herkunftssprachenlehrkräfte aus dem Italienisch- und Spanischunterricht auf dem Programm. Ende 2010 hat sich – angeregt durch das ZMI – eine Arbeitsgemeinschaft von verschiedenen Herkunftssprachenlehrerinnen gebildet und ein halbes Jahr zum Thema Mode in verschiedenen Museen gearbeitet: Am 12. Juli 2011 präsentierten die Kolleginnen mit ihren fast 100 Schülerinnen und Schülern die Arbeitsergebnisse ihres Unterrichts in einer grandiosen Schau im Forum Volkshochschule.
Aufgrund der guten Erfahrungen mit Mehrsprachigkeit als Thema der Museumspädagogik ist für das Frühjahr 2012 unter Federführung des Aktionsfeldes Familienbildung des Projektes „Lernen vor Ort“ erstmals ein Elternkongress im Rautenstrauch-Joest-Museum geplant. In einem Schulprojekt mit mehreren Grundschulen aus dem Verbund werden kleine „Museums-Expertinnen und Experten“ ausgebildet, die zu einzelnen Stationen im Museum in mehreren, möglichst vielen Sprachen Erläuterungen zu den Exponaten und Vorführungen geben. Jede beteiligte Schülerin und jeder beteiligte Schüler erhält dann für die aktive Teilnahme an der Veranstaltung ein Zertifikat, einen Ansporn für die weitere Beschäftigung mit dem Museum. Ein heimlicher Wunsch von uns Museumspädagoginnen und -pädagogen ist es nämlich, alle Schülerinnen und Schüler zu aktiven Besuchern der Museen zu machen. Es ist schön zu sehen, dass diese Bemühungen durch die gemeinsamen Anstrengungen erste Früchte zeigen. Ebenfalls durch die Vorbereitungen zum Familienkongress konnte ein sogenannter Familienparcour im Rautenstrauch-Joest-Museum erarbeitet werden, der einzelnen Familien die Möglichkeit eröffnet, mit Materialien in ihrer Herkunftssprache, individuell und nach eigenen Zeitvorstellungen das Museum mit ihren Kindern kennenzulernen.
Die Zusammenschau der vielen Initiativen, Modellprojekte und Programme zeigt, dass die Museen wirklich wunderbare Orte des multikulturellen und vielsprachigen Austausches sind. Wie fasst es ein Schüler im Film zu „Von Babylon nach Köln“ zusammen? „Ich habe gelernt, dass Museen gar nicht langweilig sind.

Hintergrund: Kooperationsprojekte des Museumsdienstes Köln

Im Frühjahr 2009 lud Rosi Loos von der RAA Köln eine Gruppe mehrsprachiger Menschen zum Workshop „Die Farben der Sprachen“ ins Museum Ludwig ein. Die Veranstaltung wirkte wegweisend als Impulsgeber – der Museumsdienst Köln hat in der Folge eine ganze Reihe von Modellprojekten durchgeführt: Im ZMI-Projekt „Von Babylon nach Köln“ hatten Jugendliche in den Herbstferien 2009 Gelegenheit, Kunstwerke mit ihrer persönlichen Geschichte in Verbindung zu bringen. Sie diskutierten über ihr Deutschlandbild, über die sozialen Rollen, die sie in unserer Gesellschaft und in ihren Familien spielen; ein Filmbeitrag zum Projekt ist auf der Homepage des Museumsdienstes Köln zu finden.
Wichtig waren und sind die von der RAA finanzierten Multiplikatorenfortbildungen für Sprachdozentinnen und Dozenten, die in den verschiedenen Einrichtungen der Erwachsenenbildung museumspädagogische Impulse erhalten und sowohl Sprachkurse als auch Familienkurse, in denen Mütter über ihre Kinder Deutsch im Museum lernen können, durchführen lernen.
2010 wurden im Rahmen des ZMI-Projektes „Orient-Express“ Museumsobjekte aus dem Museum für Angewandte Kunst mit Orientbezug ausgewählt: Eine Hauptschulklasse der Martin-Luther-King-Schule hat zu den ausgewählten Objekten Informationen zusammengetragen sowie arabisch- und deutschsprachige Präsentationen erarbeitet. Ebenfalls 2010 startete ein von der RAA finanziertes Projekt der Willy-Brandt-Gesamtschule im Museum Ludwig, das durch einen Film dokumentiert wurde und auf der Homepage des Museumsdienstes zu sehen ist: „El Dia con Miró“, einen Tag mit Miró verbrachten die Schülerinnen und Schüler des elften Jahrgangs im Museum Ludwig und lernten in einem Sprechtraining das freie Sprechen.
Neben den großen, sogenannten Leuchtturmprojekten mit breiter Öffentlichkeitswirkung wurde nicht versäumt, solide Sprachprogramme in den Museen der Stadt Köln zu entwickeln: 2007 startete das erste Fremdsprachenprogramm „Let’s Talk About Art“, das über die Price-Waterhouse-Cooper Kulturstiftung finanziert wurde. Das Italienisch-Programm „Pinocchio“ wurde 2008 für das Museum für Angewandte Kunst für die RAA erarbeitet, ebenso 2011 ein Spanischcurriculum für die bilinguale Primarstufe im Museum Ludwig über die Price-Waterhouse-Cooper Kulturstiftung. 2011 konnte mit den Mitteln der Price-Waterhouse-Cooper Kulturstiftung das Projekt „Aus einem fernen Land“ mit zwei Sprachintegrationsklassen realisiert werden. Die Jugendlichen hatten sich im Rautenstrauch-Joest-Museum über Kleidung und ihre Symbolsprache informiert und moderierten selbst die Modenschau zur Festtagskleidung ihrer Herkunftskulturen. Die über 150 Gäste im Forum Volkshochschule waren begeistert von der Vielfalt der kulturellen Hintergründe und dem unbeschreiblichen Charme der jungen Menschen, die in der Mehrzahl als Flüchtlinge und in großer Not nach Deutschland gekommen sind.
Zur Jubiläumsausstellung des Museums Schnütgen erscheint erstmals ein Kinderkatalog für das Museum, der die natürliche Mehrsprachigkeit in unserer Gesellschaft sichtbar werden lässt, und zwar über Texte, die Schülerinnen und Schüler von Schulen aus dem Verbund Kölner Europäischer Grundschulen geschrieben haben. Die entscheidende Szene in der Legende des Heiligen Georg wird dann wie selbstverständlich zweisprachig betextet: „Georg tötet den Drachen. Georg a mazza il drago“. In der Sprechblase bricht das Italienische des Autors durch. „Ti mazzo“ ruft der Ritter mit erhobenem Schwert. Einen besseren Klang kann der Schlachtruf des Legendenhelden nicht haben, meinten alle Beteiligten.