Zum Arbeitskreis „Herkunftssprachliche bilinguale Kitas“

Zum Arbeitskreis „Herkunftssprachliche bilinguale Kitas“

Tuba Achahboun • Artikel im ZMI Magazin 2018 S. 36

Einsprachig deutsche Kita-Gruppen sind inzwischen die Ausnahme – nicht nur in Köln, sondern auch in anderen deutschen Städten, sowie in Österreich und der deutschsprachigen Schweiz. Mehrsprachigkeit ist in unserer Zeit die Normalität.
Der Arbeitskreis „Herkunftssprachliche bilinguale Kitas“ hat zum Ziel, ein Bewusstsein zu wecken für die Bedeutung früher Mehrsprachigkeit in der Kita, und zwar bei jenen, die direkt an Bildungsprozessen in den Kitas mitwirken, aber auch bei den dafür politisch Verantwortlichen. Zudem bietet der AK den mehrsprachigen Kindertageseinrichtungen die Möglichkeit, sich untereinander zu vernetzen, und er bemüht sich, das Angebot bilingualer Kindergärten in Köln auszuweiten. Was den Arbeitskreis für die Teilnehmenden attraktiv macht, ist sicher seine vielfältige Zusammensetzung: hier treffen sich und diskutieren Fachleute aus der Politik, vom Amt für Kinder, Jugend und Familie der Stadt Köln, aus den Kitas selbst, vom ZMI – Zentrum für Mehrsprachigkeit und Integration, und vom Kommunalen Integrationszentrum. Wir lassen uns gerne ansprechen und führen Hilfesuchende mit Beraterinnen und Beratern zusammen.

Entstehung des Arbeitskreises
Das Thema Mehrsprachigkeit beschäftigt den Integrationsrat Köln seit langer Zeit. Er setzt sich u. a., auf politischer Ebene, für die Förderung der bilingualen herkunftssprachlichen Erziehung in Kindergärten ein. Darunter verstehen der Integrationsrat und andere an der Förderung der Mehrsprachigkeit beteiligte Akteure, dass Kinder im Kindergarten die Möglichkeit bekommen, sowohl ihre mitgebrachte, nichtdeutsche Herkunftssprache zu sprechen, als auch parallel dazu die deutsche Sprache zu sprechen bzw. zu erlernen. Doch aus unterschiedlichen Gründen bekommt dieses Thema bis heute, in den Kölner Kitas, nicht die Aufmerksamkeit, die es aus Sicht des Integrationsrates schon längst verdient hätte. So beschloss der „Arbeitskreis Erziehung, Bildung und Beruf“ des Integrationsrates Köln einen weiteren Arbeitskreis zu gründen. Wir suchten zuallererst das Gespräch mit Praktizierenden der bilingualen herkunftssprachlichen Erziehung in Köln. Im September 2016 fand das erste Treffen statt. Es kamen Vertreterinnen und Vertreter bilingual arbeitender Kindergärten in Köln. Alle waren sich einig, dass eine mögliche und zwingend notwendige Förderung der Mehrsprachigkeit darin besteht, bilinguale Kitagruppen auszubauen. In Köln arbeiten mittlerweile ca. 60 Kindertagesstätten mit bilingualen Angeboten (7 in privater / gewerblicher Trägerschaft). Im Jahr 2015 gab es erst ca. 33. Schön, dass dieses Angebot sich in den letzten zwei Jahren nahezu verdoppelt hat! Aber ein Blick auf die unterschiedlichen Kitaangebote zeigt : von diesen 60 Kindertageseinrichtungen sind 30 deutsch – englische bilinguale Gruppen, weitere 10 sind deutsch – spanisch, 4 sind deutsch – französisch und 7 sind deutsch – russisch. Passen diese Angebote zur Gesamtheit der Kinder, die in Köln aufwachsen? Jene Sprachen nämlich, die in Köln am häufigsten gehört und gesprochen werden, sind in diesen ca. 60 bilingualen Kitas kaum repräsentiert!
Die Sprache, die ein Kind mit Migrationshintergrund schon mitbringt, sollte nicht vernachlässigt, sondern gezielt gefördert werden. Es gibt viele wissenschaftliche Erkenntnisse darüber, dass der Erwerb zweier Sprachen Kinder nicht überfordert, sondern ganz im Gegenteil. Mehrsprachigkeit steigert kognitive Fähigkeiten wie Konzentration, divergierendes Denken und Kreativität (z. B. Bialystok 2001). Weitere Sprachen können leichter erworben werden. Wenn Kinder schon sehr früh mit zwei oder mehreren Sprachen konfrontiert werden, entwickeln sie mehr Offenheit und Toleranz gegenüber Menschen, Sprachen und Kulturen. Sie haben weniger Probleme mit Frustrationserfahrungen in der Kommunikation, zum Beispiel mehr Durchhaltevermögen, wenn sie etwas gerade nicht verstehen. Des Weiteren entwickeln sie Strategien, sich Inhalte der Kommunikation zu erschließen, wenn diese nicht klar sind, sie fragen zum Beispiel nach und holen sich Hilfe von einem anderen Kind oder Erwachsenen. Aussagen wie „Hier wird nur deutsch gesprochen!“ verbieten sich also ganz von selbst! Auch wenn, selbstverständlich, die deutsche Sprache unsere zentrale gemeinsame Verständigungssprache bleibt.
Fazit: Herkunftssprachliche bilinguale Erziehung ist gut und funktioniert, wenn gute Rahmenbedingungen geschaffen werden. Die Einrichtung neuer bilingualer Gruppen in Kindertageseinrichtungen braucht finanzielle Unterstützung. Diese finanzielle Unterstützung können interessierte Kindertageseinrichtungen der Träger der freien Jugendhilfe in Köln bei der Stadt Köln beantragen. Laut Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen kann ein Träger für eine Gruppe einmalig Folgendes beantragen:
• Die Fachberatung durch einen Personal Coach bis zu 5000 Euro
• Unterstützung durch einen Sprachcoach bis zu 5000 Euro
• Bilinguales Arbeitsmaterial bis zu 2000 Euro
Das Thema Zwei- und Mehrsprachigkeit wird weiterhin aktuell bleiben. Mehrsprachigkeit macht unsere Gesellschaft aus. Die Herkunftssprache, egal welche, muss als Sprachpotenzial gesehen werden. Die Herkunftssprache zu fördern bedeutet auch, das Erlernen der deutschen Sprache zu fördern.