Sprachliche Bildung an Kölner Grundschulen
von Margarita v. Westphalen-Granitzka • Artikel im ZMI Magazin 2012, S. 14
Das Schulamt für die Stadt Köln misst der sprachlichen Bildung an Grundschulen schon seit vielen Jahren eine besondere Bedeutung zu. Dabei geht es ebenso um die Förderung der deutschen Sprache wie um die Einbeziehung der Herkunftssprachen der Kinder. Schon in den Sechziger Jahren gab es sogenannte Internationale Klassen für Kinder aus einzelnen Sprachräumen. Damals waren es vor allem die Länder, mit denen Deutschland Anwerbeabkommen geschlossen hatte. Heute wird der Unterricht durch den sogenannten Herkunftssprachenerlass des Ministeriums für Schule und Weiterbildung NRW geregelt. Aktuell werden in Nordrhein-Westfalen 16 Sprachen als Herkunftssprachen unterrichtet, in Köln sind es zurzeit 13 an über 100 Schulen der Primar- und Sekundarstufe. Der Unterricht findet meist am Nachmittag statt, und er ist freiwillig. Die Teilnahme am Unterricht wird im Zeugnis bescheinigt, der Sprachstand wird am Ende der zehnten Klasse geprüft und benotet.
Was Köln von anderen Städten unterscheidet, ist neben der Vielzahl der Sprachen vor allem die Tatsache, dass in zahlreichen Schulen der Herkunftssprachliche Unterricht mit dem Regelunterricht systematisch verzahnt wird. Dieser Verzahnung liegen zwei Konzepte zugrunde: Das Koordinierte Lernen (Koala Köln) und das Bilinguale Lernen.
Koala Köln
Dieses Konzept findet seit Ende der Neunziger Jahre Anwendung, zurzeit an elf Grundschulen mit der Sprache Türkisch und an einer zusätzlich auch mit Russisch. Beim Erlernen von Lesen und Schreiben werden die Kinder mit der jeweiligen Herkunftssprache in drei Wochenstunden Herkunftssprachlichem Unterricht sowie in zwei bis drei Wochenstunden gemeinsam im gesamten Klassenverband in sprachsensiblem Unterricht mit der deutschen Regellehrkraft und der Herkunftssprachenlehrkraft unterrichtet. Die Strukturen der beiden und weiterer Sprachen werden einander gegenübergestellt, wobei sich zahlreiche Gelegenheiten für Vergleiche auf der praktischen und auf der Meta-Ebene ergeben. Diese Unterrichtsform ermutigt alle Kinder, über ihre eventuell vorhandene Mehrsprachigkeit oder ihr Verhältnis zur deutschen Sprache zu reflektieren und dies aktiv in den Unterricht einzubringen. Die Kinder gehen bewusster mit Sprache um. Ihre Sprachlernstrategien werden so erweitert, und das Interesse und die Freude am Sprachenlernen wird geweckt. Auch interkulturelles Lernen spielt dabei eine große Rolle. Insgesamt gehen die Kinder offener und respektvoller mit sprachlicher und kultureller Vielfalt um.
Der Erfolg dieses Programms wurde gerade durch eine wissenschaftliche Studie von Professor Hans Reich nachgewiesen (siehe Abbildung).
Bilinguales Lernen
2001 fing die erste Grundschule in Köln mit dem bilingualen Lernen in Deutsch-Italienisch an, inzwischen arbeiten zwölf Schulen nach diesem Konzept, und zwar mit den Kombinationen Deutsch-Englisch, Deutsch-Französisch, Deutsch-Italienisch, Deutsch-Spanisch und Deutsch-Türkisch. Im bilingualen Unterricht werden alle Kinder einer Klasse in zwei Sprachen unterrichtet, und zwar indem Teile mancher Unterrichtsfächer in der Fremd- bzw. Herkunftssprache erteilt werden. Parallel dazu wird diese Sprache in der Regel mit fünf Wochenstunden auch als eigenes Fach angeboten. Der Sachunterricht wird in Doppelbesetzung mit einer deutschsprachigen Lehrkraft und einer Lehrkraft der entsprechenden anderen Sprache erteilt. Bei der Auswahl der Themen werden jeweils beide Sprachen und Kulturen berücksichtigt. Der Sprachunterricht erfolgt in halber Klassenstärke: Während eine Gruppe Deutsch lernt, hat die andere Gruppe den Unterricht der jeweils anderen Sprache. Bei diesem Konzept haben die zweisprachigen Kinder die Möglichkeit, ihre Herkunftsssprache zu vertiefen und auszubauen. Die einsprachigen Kinder, die nur Deutsch sprechen, profitieren davon, schon sehr früh eine Fremdsprache intensiv zu erlernen.
Auch dieses Konzept wurde wissenschaftlich ausgewertet, die Effektivität konnte Professor Hans-Joachim Roth nachweisen (siehe Abbildung).
Die Stadt Köln hat zur Würdigung von Schulen mit besonderen Programmen zur Unterstützung der natürlichen Mehrsprachigkeit 2009 den „Verbund Kölner Europäischer Grundschulen“ gegründet, dem zurzeit zehn Schulen angehören. Schulträger und Schulaufsicht arbeiten in diesem Zusammenhang gemeinsam an der Anerkennung und Förderung der Sprachen von „Neu-Kölnerinnen und Neu-Kölnern“.
Ein drittes Konzept zur Sprachbildung an Kölner Schulen bezieht sich auf das Erlernen der deutschen Sprache. Die sprachliche Heterogenität der Klassen hat in den vergangenen Jahrzehnten immens zugenommen. Bei vielen Kindern ist mit dem Eintritt in die Grundschule der Kenntnisstand der deutschen Sprache nicht altersgemäß. Dies betrifft sowohl die Kinder mit anderen Herkunftssprachen als Deutsch als auch die einsprachigen, und es erfordert neue didaktische Konzepte für die Lehrkräfte aller Fächer. Aus diesem Grund hat die Arbeitsstelle Migration der Bezirksregierung Köln gemeinsam mit dem Schulamt für die Stadt Köln das Programm „DemeK – Deutschlernen in mehrsprachigen Klassen“ entwickelt.
DemeK
Im Schuljahr 2006/2007 haben die ersten Grundschulen in Köln mit diesem Programm begonnen, aktuell arbeiten 53 Grundschulen danach. DemeK ist ein integratives Konzept: für alle Kinder, für den gesamten Deutschunterricht und für alle Fächer. Es verbindet grammatisches und literarisches Lernen, wobei der Schwerpunkt auf den Erwerb der gehobenen Bildungssprache, auf die sogenannte konzeptionelle Schriftlichkeit gelegt wird. Im Rahmen der individuellen Förderung schafft das Programm für jede Schülerin und jeden Schüler einen auf sie bzw. ihn abgestimmten Lernzuwachs. Dass eine Schule zur „DemeK-Schule“ wird, entscheidet die Lehrerkonferenz, denn die Entscheidung betrifft das gesamte Kollegium und erfordert die Teilnahme an einer dreijährigen praxisorientierten Fortbildung mit Coaching.
Koala, Bilinguales Lernen und DemeK haben sich in den letzten zehn Jahren in Köln etabliert. Ihr Erfolg ist nur durch das große Engagement vieler möglich geworden. Vor allem sind die beteiligten Lehrerinnen und Lehrer zu erwähnen, die mit großer Überzeugung und viel Leidenschaft nachhaltig den Unterricht verändert haben. Heute werden es in Köln immer mehr Schulen, die sich für diese Programme interessieren. Sie dienen als Anregungen für den gesamten Regierungsbezirk und für das Land NRW.