Türkisch an der Katharina-Henoth-Gesamtschule
von Hilal Günday • Artikel im ZMI Magazin 2009, S. 28
Die Katharina-Henoth Gesamtschule liegt rechtsrheinisch zwischen den Stadtteilen Höhenberg und Vingst.Das Einzugsgebiet der Schule erstreckt sich bis nach Ostheim, Neubrück und Kalk. Der Großteil der Schülerinnen und Schüler stammt aus Migrantenfamilien, überwiegend mit türkischem Hintergrund. So ist es nur konsequent, dass die Schule versucht, die Herkunftssprachen der Schülerinnen und Schüler im Fächerkanon systematisch aufzufangen: Neben dem Herkunftssprachlichen Unterricht in Italienisch und Polnisch wird auch eine Russisch-AG angeboten. Der Hauptteil liegt jedoch in dem Angebot für türkische Schülerinnen und Schüler.
Seit mehreren Jahren wird Türkisch in Form des traditionellen Herkunftssprachlichen Unterrichts und des Wahlpflichtfaches WP I anstelle einer zweiten Fremdsprache angeboten. Mit Beginn des Schuljahres 2006/2007 ist das Angebot auf die Sekundarstufe II erweitert worden. Türkisch kann nunmehr auch als drittes bzw. viertes Abiturfach belegt werden. An diesem Unterricht dürfen türkischsprachige Schülerinnen und Schüler teilnehmen, die in der Sekundarstufe I eines der oben genannten Angebote wahrgenommen haben. Schülerinnen und Schüler, die den MSU besucht haben, werden zu Beginn der Jahrgangsstufe 11 in ihren Sprachkenntnissen geprüft. Diese Prüfung erfolgt unabhängig von der muttersprachlichen Prüfung am Ende der Jahrgangsstufe 10.
Der Andrang auf den Türkischunterricht in der Sekundarstufe II ist groß. Doch ein großer Teil der Schülerinnen und Schüler muss abgewiesen werden, weil sie die Voraussetzungen nicht erfüllen. Denn an vielen Kölner Schulen, aus denen Schülerinnen und Schüler zur Katharina-Henoth Gesamtschule kommen, wird der Türkischunterricht sehr unterschiedlich gehandhabt. So bieten z. B. einige Realschulen das Fach Türkisch gar nicht an, obwohl der Großteil ihrer Schülerschaft Türkisch spricht. Mitunter kommt der Verdacht auf: Man will keine Türkenschule sein!
Selbst ein nur oberflächlicher, kurzer Erfahrungsbericht weist deutlich darauf hin, warum es sich lohnt, das Fach Türkisch seiner Schülerschaft anzubieten: Unsere Schülerinnen und Schüler sprechen Deutsch. Sie sprechen auch Türkisch. Natürlich sollten sie beides besser können. Sie müssen gefördert werden. Und zwar in beiden Sprachen! Nur wie und durch wen?
An der Katharina-Henoth Gesamtschule unterrichten seit mehreren Jahren Lehrer Türkisch, die ihre Ausbildung in der Türkei absolviert haben. Diese sind seit Anfang 2006 durch Lehrerinnen verstärkt worden, die ihr Erstes und Zweites Staatsexamen in Deutschland neben dem Fach Türkisch in den Fächern Deutsch, Englisch, Mathematik oder Kunst abgelegt haben. Dieser Hintergrund ist von großer Bedeutung. Die Schülerinnen und Schüler lernen Personen kennen, die Türkisch und Deutsch gleichermaßen gut sprechen und sogar ihr Geld damit verdienen. Türkisch ist also kein Hindernis für den Deutscherwerb oder die Integration.
Die Türkischlehrerinnen übernehmen die Klassenleitung, den Fachvorsitz, sind Mitglied im Lehrerrat, in der Schulkonferenz oder in sonstigen Schulausschüssen. Sie sind keine Randerscheinungen im Schulleben. Sie haben Aufgaben, wie andere Lehrkräfte auch. Im Kollegium begegnet man einander auf Augenhöhe. Damit werden Vorbehalte auch seitens deutscher Kolleginnen und Kollegen gegenüber türkischen Schülerinnen und Schüler wie auch deren Eltern aufgedeckt, thematisiert und aus dem Raum geschafft. Elterngespräche, die zu eskalieren drohen, werden beschwichtigt – und zwar nur dadurch, dass jemand da ist, der noch besser versteht, welche Sorgen und Nöte auf Seiten der Schule und des Elternhauses stehen. Integration wird also vorgelebt!
In gemeinsamer Arbeit mit den türkischen Lehrern ist das schulinterne Curriculum im Fach Türkisch überarbeitet worden. Der Lehrplan für den Herkunftssprachlichen Unterricht setzt dabei den Schwerpunkt auf die Vermittlung von Kenntnissen in Sprache und in der Landeskunde: Der Herkunftssprachliche Unterricht bereitet auf die Prüfung am Ende des 10. Schuljahres vor.
Der Schwerpunkt für WP I Türkisch liegt auf der Vermittlung von Fähigkeiten und Kenntnissen im Bereich der türkischen Sprache und Literatur. Der Lehrplan orientiert sich dabei in vielen Bereichen an dem Fach Deutsch, um zu ermöglichen, dass die Schülerinnen und Schüler Parallelen zwischen beiden Sprachen ziehen können. Um die Zweisprachigkeit zu fördern, werden ähnlich wie im klassischen Fremdsprachenunterricht Vokabeln in deutscher und türkischer Sprache festgehalten. Dies wird sogar in der Sekundarstufe II noch weitergeführt, wenn es um bestimmte Terminologien geht, die für die Bearbeitung von verschiedenen Textsorten erforderlich sind. Der Lehrplan in der Sekundarstufe II ist stark durch die zentralen Vorgaben für die Abiturprüfungen reguliert. Dabei geht es im Wesentlichen um das Verständnis von kultureller Identität, den Gründen und Folgen von Migration, wie auch den Lebensbedingungen der türkischen Bevölkerungsgruppen in der Bundesrepublik Deutschland.
Der Türkischunterricht bietet damit viel Raum für die Thematisierung von persönlichen Fragen unserer Schülerinnen und Schüler, deren Herkunft in der Türkei und deren Zukunft in Deutschland liegt. Für die persönliche Entwicklung unserer Schülerinnen und Schüler ist der Türkischunterricht ein wesentlicher Bestandteil, der ihnen die Chance gibt BEIDES, das Deutsche und das Türkische, miteinander zu vereinen. Sie fühlen sich mit dem, was sie mitbringen und hier weiter ausbauen können, verstanden und von der Gesellschaft aufgenommen. Und genau das fördert eben auch die Integration.