„Kinder spielen Sprachen“
– ein Projekt zur Förderung der Mehrsprachigkeit durch kulturelle Bildung
von Maria Gorius • Artikel im ZMI Magazin 2009, S. 25
Herbstferien jenseits von PC-Konsole und Chipstüten
In der Zeit vom 30. September bis 10. Oktober 2008 kamen 30 Mädchen und Jungen insbesondere aus Familien mit Zuwanderungserfahrung zum Herbstcamp 2008 in die Gemeinschaftsgrundschule „An St. Theresia“ in Köln-Buchheim – trotz der Ferien. Diese Kinder gestalteten die Hauptrollen im Herbstcamp „Kinder spielen Sprachen“.
Im Wechsel von Erst- und Zweitsprachen, Muttersprachen und Fremdsprachen brachten die Kinder ihre Sprachen ins Spiel. Die Kinder erfuhren im Spiel die selbstverständliche Präsenz und einen wertschätzenden Umgang mit den von ihnen eingebrachten Sprachen. In Groß. und Kleingruppenarbeit wurden die vielfältigen Sprachen von kreativem Spiel, bildnerischem Gestalten und Theater ganzheitlich erfahrbar gemacht. Die Kinder schöpften aus den Anregungen Ideen und Bilder für eigene Texte und Geschichten, die sie sich jeden Tag präsentierten. Im gemeinsamen Prozess entwickelten sie aus den schönsten Entdeckungen das Theaterstück „Die Wort-Schatz-Suche“, das am Ende der Ferien öffentlich aufgeführt wurde. Für die meisten war das ihre erste Bühnenerfahrung.
Qualifizierung und Praxiserfahrung für Studierende
Die Idee war, nicht nur die Grundschulkinder kulturell zu fördern, sondern auch angehende Lehrerinnen und Lehrer für Möglichkeiten der ästhetischen Bildung zu trainieren. Sie sollten zugleich schon während des Studiums konkrete Praxiserfahrung und -kompetenz erwerben. Im Sinne von Train-the-Trainer erhielten zehn zukünftige Lehrerinnen und Lehrer Praxisbegleitung während der gesamten Projektumsetzung. Die zehn Förderkräfte des Camps wurden bereits im Sommersemester an der Universität in dem Theorie-Praxis-Seminar „Neue Konzepte der Mehrsprachigkeit“ ausgebildet – eine Unterrichtskooperation zwischen Frau Prof. Claudia M. Riehl und der Theaterpädagogin Maria Gorius.
Sprachförderung durch kulturelle Bildung
Ein Ziel des Herbstcamps war die sinnvolle Verknüpfung von Methoden der Sprachförderarbeit mit Methoden kultureller Bildungspraxis. Ausgehend von den eigenen Neigungen und Interessen entwickelten die Studierenden in Zweierteams mit großer Experimentierfreude je ein Konzept, das sie in einer Kleingruppe mit sieben Kindern praktisch erproben konnten.
Ein Einblick in die Konzeptideen
Die Weltentdecker erforschen auf ihren Reisen unbekannte Länder und bringen nicht nur neue Eindrücke sondern auch Bilder, Andenken und neue Wörter mit nach Hause. Sie verschicken Postkarten und dokumentieren ihre Reisen in ihrem Reisetagebuch …
Die Zauberinnen brauen nach Zauberrezepten Zaubertränke, erfinden immer wieder neue Zauberformeln, entziffern Geheimschriften mit Zaubertinte und tauschen ihre Erfahrungen in Zauberzirkeln aus …
Die Wortpiraten finden nur über ein Losungswort Zugang zur Piratenhöhle, in der sie den Piratenschatz, eine Kiste mit wichtigen Wörtern hüten. Sie sind auf der Suche nach der Sprache. Sie selbst können zu Beginn der Reise nur in Zweiwortsätzen sprechen. Sie landen während der Abenteuer auf verschiedenen Inseln und erweitern durch ihre Entdeckungen ihre Sprachfähigkeit. Alles was für das Stück gebraucht wird, schreiben bzw. fertigen die Kinder selbst …
Die Märchenerfinder hören alte Märchen, sammeln typische Märchenwörter oder -sätze und spinnen neue Märchen, die sie in ihr Märchenbuch schreiben …
Das waren die Impulsgeber für die ersten Improvisationen in den Kleingruppen.
Die gegenseitigen Tagespräsentationen motivierten die Kinder, an den eigenen Szenen weiterzuarbeiten bzw. Neues zu entwickeln. Ganzheitliche Sprachförderung war das Ziel jeder Aktion. Im gemeinsamen Austausch in der Großgruppe und im Team zeigten sich erst im Prozess die Verknüpfungen für unser Theaterstück „Die Wort-Schatz-Suche“. Das Publikum wie auch die Spielerinnen und Spieler ließen sich davon begeistern.
Nicht nur für die Kinder, sondern auch für uns Erwachsene wurde erneut ein Satz Hartmut von Hentigs konkret erlebbar: „Theaterspiel ist eines der machtvollsten Bildungsmittel, die wir haben.“