Heliosschule – Inklusive Universitätsschule der Stadt Köln Einblicke in das Gründungskonzept unter besonderer Berücksichtigung von Mehrsprachigkeit

Heliosschule – Inklusive Universitätsschule der Stadt Köln Einblicke in das Gründungskonzept unter besonderer Berücksichtigung von Mehrsprachigkeit

Sophia Falkenstörfer, Prof.‘in Dr. Lisa Rosen und Lucia Sehnbruch • Artikel im ZMI Magazin 2018 S. 9

Schule ist mehr als ein Lernort, sie ist Lebensort! Im Gründungskonzept der „Heliosschule – Inklusive Universitätsschule der Stadt Köln“ heißt es dazu programmatisch: „Grundsätzlich soll eine inklusive Schule als ein Lebens- und Arbeitsbereich konzipiert werden, der Lernenden wie Lehrenden nicht nur Instruktionsräume im Kasernenformat, sondern Raumperspektiven mit unterschiedlichen Aktions-, Sozial- und Rückzugsflächen bietet, in denen sehr unterschiedlichen Bedürfnissen entsprochen werden kann.“ (Reich, 2014a, S. 12) Lernende sollen dort vielfältige Erfahrungen machen, sich selbstwirksam fühlen, die Möglichkeit haben, ihre Persönlichkeiten zu entwickeln und sich (Welt-)Wissen anzueignen bzw. zu konstruieren. Für die Gestaltung von Schule als lebendigen und anregenden Lernort sind in erster Linie die verantwortlichen Pädagoginnen und Pädagogen zuständig.
Sie müssen eine Vielzahl von unterschiedlichen Kompetenzen besitzen bzw. erwerben, die weit über die Wissensvermittlung hinaus reichen um den aktuellen gesellschaftlichen Anforderungen gerecht werden zu können. Für die Professionalisierungsprozesse von zukünftigen Lehrpersonen bedeutet dies, dass gut konzipierte und theoretisch-reflektierte Praxisphasen schon im Hochschulstudium zentral sind. An der Universität zu Köln haben Studierende die Möglichkeit, ihre Praxisphasen an der „Heliosschule – Inklusive Universitätsschule der Stadt Köln“ zu absolvieren. Der inklusive Schwerpunkt ermöglicht Raum für vielfältige Synergien: zukünftige Lehrkräfte lernen nicht nur den Alltag einer von Heterogenität und Diversität aller Lebensformen geprägten Schule kennen. Im Rahmen der systematisch in das Lehramtsstudium der Universität zu Köln eingebetteten Praxisphasen und studentischer Forschungsarbeiten an der Praxisschule haben sie die Möglichkeit, Impulse aus der schulischen Praxis in die Lehrerinnen- und Lehrerbildung hineinzutragen. D.h. dass hier – im besten Sinne einer Theorie-Praxis-Verzahnung – wechselseitig die Hochschule (Theorie) direkte Impulse an die Schule (Praxis), und die Lebenswelt Schule (Praxis) an die Hochschule (Theorie) weiterleiten kann (vgl. ZfL 2013).
Der weite Inklusionsbegriff, der dem Konzept der inklusiven Didaktik zugrunde liegt, macht diese Schule zu einem Ort, an dem die menschliche Vielfalt den Schulalltag bestimmt (vgl. Reich/Asselhoven/Kargl 2015; vgl. Reich 2009, 2014a): „Inklusion, [wie sie hier verstanden werden soll], ist eine umfassende gesellschaftliche Verpflichtung, die helfen soll, einen äußeren und inneren Frieden der Menschen zu ermöglichen und Diskriminierungen in jeder Form als Störung eines friedlichen Zusammenlebens zu überwinden.“ (Reich, 2014a, S. 1f.) Die Praxisschule bildet demnach einen offenen sozialen Raum, in dem Demokratiebildung erprobt und eingeübt wird. Partizipation und Teilhabe aller am gemeinsamen Alltag, und Partizipation und Teilhabe hinsichtlich der Entwicklung der Schule, prägen das Leitbild. Konkret formuliert Kersten Reich (vgl. ebd. S. 5ff.) mit Blick auf die schulischen Herausforderungen zehn Merkmale als Mindeststandards einer inklusiven Schule: (1) Beziehungen und Teams, (2) Demokratie und Partizipation, (3) Chancengerechte Qualifikation, (4) Ganztag, (5) Förderliche Lernumgebung, (6) Förderbedarf ohne Stigmatisierung, (7) neues Beurteilungssystem, (8) neue Schularchitektur, (9) Öffnung in die Lebenswelt, (10) Beratung, Supervision, Evaluation und neue Kriterien guten Unterrichts.
Mit Blick auf die Inklusion von Mehrsprachigkeit wird im Gründungkonzept der Universitätsschule von Julie A. Panagiotopoulou und Lisa Rosen (2015) problematisiert, dass die deutsche Schule monolinguale Ideologien (re)produziert und migrationsbedingter Mehrsprachigkeit im pädagogischen Alltag überwiegend defizit- und assimilationsorientiert begegnet wird: „Eine Schule, die ausgewählte Sprachen ausschließt, erschwert systematisch die Bildungsprozesse derjenigen, die diese Sprachen zum Denken und Handeln benötigen“ (ebd., S. 166). Das Gründungskonzept nimmt hier ausdrücklich Bezug auf den Index für Inklusion für Schulen (Booth & Ainscow 2003), denn auch dort wird die Notwendigkeit der Inklusion aller Sprachen von Minderheiten sowie von Migrantinnen und Migranten unmissverständlich entlang konkreter Indikatoren verdeutlicht (Panagiotopoulou & Rosen 2015, S. 163). So wird etwa danach gefragt, ob alle Sprachen und Kommunikationssysteme als gleichwertig behandelt werden (Booth & Ainscow 2003, S. 83) und ob die Vielfalt der Sprachen, die die Lernenden mitbringen, als wesentlicher Teil des Unterrichtsinhalts und als eine reichhaltige Anregung für den Sprachunterricht genutzt wird (Booth & Ainscow 2003, S. 92). Um diese und weitere Indikatoren zur Inklusion von Mehrsprachigkeit im Schul- und Unterrichtsalltag aufzugreifen und umzusetzen wird im Gründungskonzept der Universitätsschule auf den sozio-linguistisch fundierten und pädagogisch-didaktischen Ansatz des Translanguaging nach Ofelia García (2009) verwiesen. Dieser erscheint als besonders geeignet für mehrsprachige Schul- und Unterrichtsentwicklung, weil er an der sprachlichen Alltagspraxis von Kindern und Jugendlichen in der Migrationsgesellschaft anknüpft und sich entschieden gegen die Separierung und – damit oft verbunden – Hierarchisierung von Sprachen wendet (siehe dazu den Beitrag von Julie A. Panagiotopoulou in diesem Heft).
Der Zusammenhang von Inklusion und Translanguaging sowie damit verbundene Fragen der Lehrerinnen- und Lehrer(fort)bildung sowie der Professionalisierung von angehenden Pädagoginnen und Pädagogen sind am 27. und 28. September an der Universität zu Köln auf dem internationalen Workshop „Inclusion, Education, and Translanguaging: How to Promote Social Justice in (Teacher) Education?“ mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Deutschland, Griechenland, Luxemburg, Frankreich, Zypern, Großbritannien und den USA sowie Fachleuten aus der pädagogischen Praxis im frühkindlichen und schulischen Bereich diskutiert und vertieft worden. Das Programm ist einzusehen unter: http://sinter.uni-koeln.de/sites/ca5/user_upload/Int._Workshop_27.-28.09.2018_Program.pdf). Dieser Workshop, der insbesondere auf einen Theorie-Praxis- bzw. Praxis-Theorie-Transfer ausgerichtet war, wurde gemeinsam ausgerichtet und organisiert von Prof. Dr. Julie A. Panagiotopoulou (Sprecherin des Kompetenzfeldes SINTER – Soziale Ungleichheiten und Interkulturelle Bildung im Zukunftskonzept der Exzellenzinitiative, siehe www.sinter.uni-koeln.de) und Prof. Dr. Lisa Rosen (Wissenschaftliche Leitung der „Heliosschule – Inklusive Universitätsschule der Stadt Köln”). Dazu eingeladen waren nicht nur die pädagogischen Fachkräfte der Universitätsschule, sondern auch weitere Schulen und Kindertagesstätten aus dem Großraum Köln.

Literatur:

Booth, Tony & Ainscow, Mel (2003): Index für Inklusion Lernen und Teilhabe in der Schule der Vielfalt entwickeln. Übersetzt, für deutschsprachige Verhältnisse bearbeitet und herausgegeben von Ines Boban & Andreas Hinz. Online verfügbar unter http://www.csie.org.uk/resources/translations/IndexGerman.pdf, zuletzt geprüft am 17.09.2018
García, Ofelia (2009): Bilingual education in the 21st century: A global perspective. Malden, Mass: Wiley-Blackwell.
Panagiotopoulou, Argyro/Rosen, Lisa (2015): Migration und Inklusion. In: Reich, Kersten/Asselhoven, Dieter/Kargl, Silke (Hrsg.): Eine inklusive Schule für alle: Das Modell der Inklusiven Universitätsschule Köln. Weinheim/Basel: Beltz, S. 158-167.
Reich, Kersten (2017): Inklusive Didaktik in der Praxis. Beispiele erfolgreicher Schulen. Weinheim/Basel: Beltz.
Reich, Kersten/Asselhoven, Dieter/Kargl, Silke (Hrsg.) (2015): Eine inklusive Schule für alle. Das Modell der Inklusiven Universitätsschule Köln. Weinheim/Basel: Beltz.
Reich, Kersten (2014a): Herausforderungen an eine inklusive Didaktik. Zeitschrift: Inklusion in Schule und Unterricht. Heft 10/2014. 5. Jg.
Reich, Kersten (2014b): Inklusive Didaktik. Bausteine für eine inklusive Schule. Weinheim/Basel: Beltz.
Reich, Kersten (2012): Inklusion und Bildungsgerechtigkeit. Standards und Regeln zur Umsetzung einer inklusiven Schule. Weinheim/Basel: Beltz.
Zentrum für LehrerInnenbildung (ZfL) (2013): Forschendes Lernen im Praxissemester. Leitfaden für die Ausbildungsregion Köln. Materialien zum Praxissemester in der Ausbildungsregion Köln (Band 5). Universität zu Köln, zuletzt geprüft am 29.10.2018