Design Thinking Seminar „Forschen und Entwickeln im Unterricht“: Präsentation der Exponate im Odysseum Köln

Design Thinking Seminar „Forschen und Entwickeln im Unterricht“: Präsentation der Exponate im Odysseum Köln

von Prof. Dr. André Bresges, unter Mitarbeit von Dr.‘in Iris Günthner, Varinnia Fanroth, Gian-Luca Bonucci und Rosella Benati • Artikel im ZMI Magazin 2018 S. 20

„Wie können wir Natur für Kinder spannend und verständlich machen,
wenn die Kinder der Stadt Köln Sprachen aus vielen verschiedenen Ländern der Erde sprechen?“

Das war die Ausgangsfragestellung für das Design Thinking Seminar „Forschen und Entwickeln im Unterricht“, das im Wintersemester 2017/18 an der Universität zu Köln gehalten wurde. Auftraggeber war das Odysseum in Köln-Kalk. Bis dato wurde jedes der Exponate im Odysseum durch „Prismen“ erklärt, kleine Begleittexte in deutscher und englischer Sprache. Aber schnell wurde klar:
Diese zwei Sprachen reichen heute nicht mehr aus, um allen kleinen Forscherinnen und Forschern, spannend und verständlich, die Welt hinter den Ausstellungsexperimenten zu erklären. Eine umfassende Neugestaltung der Ausstellung wurde zum Anlass, diese Herausforderung anzugehen.
Auch die Universität zu Köln stellt sich im Rahmen der „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ einer Herausforderung: Wege und Werkzeuge zu finden, mit denen Lehrkräfte Heterogenität und Inklusion im Unterrichtsalltag bewältigen können. Einen Beitrag hierzu wollte unser Design Thinking Seminar leisten.

Vier wichtige Faktoren bestimmten das Seminar
1. Eine spannende Aufgabe: die Studierenden mussten Theorie und Praxis zusammenführen und ein testbares Ergebnis erzielen. Dies implizierte der Auftrag des Odysseums.
2. Räume, die das Denken unmittelbar anregen: das genau ist die Kernkompetenz des Odysseums.
3. Ein multiprofessionelles Team: hierzu wurden Studierende des Moduls „Deutsch als Zweitsprache“ und Studierende des Faches Physik für das Lehramt eingeladen. Für Experteninterviews standen zur Verfügung: Rosella Benati vom ZMI – Zentrum für Mehrsprachigkeit und Integration, Iris Günthner und Christoph Gantefort vom Mercator-Institut für Deutsch als Zweitsprache, dazu Varinnia Fanroth und Henrik Käseberg vom Odysseum.
Die wichtigsten Expertinnen und Experten jedoch kamen aus der Schule selbst: Zwei Klassen der bilingualen Deutsch-Italienischen Vincenz-Statz-Grundschule in Köln-Ehrenfeld mit ihrem Italienisch- und Sachunterrichtslehrer Gian-Luca Bonucci, der Klassenlehrerin Regina Dayal und der Schulleiterin, Frau Karin Leusner.
4. Eine klare Seminarstruktur: der Design Thinking Prozess, der dafür sorgt, dass die Team-Mitglieder aus Schule, ZMI, Mercator-Institut und Odysseum über ein Semester hinweg intensiv zusammenarbeiten und sich austauschen konnten.
Der Design Thinking Prozess in der Adaption user centric Design Based Research der Universität zu Köln kann im Internet von allen Beteiligten Schritt für Schritt nachvollzogen werden.
(http://www.physikdidaktik.uni-koeln.de/11684.html).
Nachdem die Forschungsfragestellung im Seminar mit den Studierenden und dem Experten-Team geklärt worden war, sah der Prozess als nächstes eine Empathiephase vor. Bevor auf Theorien zugegriffen oder erste Projekte geplant wurden, sollten erst die Schülerinnen und Schüler verstanden werden, denen das Ergebnis am Ende zugute kommen soll. Die Studierenden lernten hierzu die Technik „Interview for Empathy“ kennen, bei denen eine verständnisvolle Partnerschaft zwischen den am Interview Beteiligten aufgebaut wird. Hierzu setzten die Studierenden Empathy Prototypes ein – kleine physikalische Experimente, die gemeinsam mit den Mädchen und Jungen gespielt und erkundet wurden, um das Gespräch auf ein gemeinsames Ziel zu lenken. So wurde die Situation ‚Fragende-Befragte‘ wirksam aufgebrochen, und die Studierenden konnten erkunden, was die Schülerinnen und Schüler interessierte am Zusammenhang zwischen Sprechen und Experimentieren, was sie dazu fühlten, dachten und sich wünschten.

Vorläufige Erkenntnisse aus dieser Phase

1. Naturwissenschaftliche Experimente sind immer auch Sprechanlässe.
2. Oft geht es ohne Instruktion, denn Schülerinnen und Schüler sind neugierig und experimentieren sehr bereitwillig.
3. Ihre Herkunftssprache ist für die Mädchen und Jungen besonders wichtig, um erste Erklärungen für die wahrgenommenen Phänomene zu formulieren und neue, eigene Ideen zu bilden.
4. Die gemeinsame Alltagssprache tritt dann in den Vordergrund, wenn sich die Schülerinnen und Schüler über Ideen und Erklärungen austauschen. Hier müssen Lernbegleiterinnen und -begleiter unterstützen und lenken, um den Austausch zu strukturieren und auch sicherzustellen, dass alle daran teilhaben können.
5. Die Herkunftssprache und Herkunftskultur erhalten beim Transfer und bei der Vernetzung der Erkenntnisse mit der Lebenswelt wieder eine besondere Bedeutung. Hier ist zu beachten, dass die Schülerinnen und Schüler sich äußern können, ohne Sprache als Barriere zu empfinden.
6. Entsprechend vorsichtig und sensibel ist beim Korrigieren der Aussagen der Schülerinnen und Schüler in der Transferphase vorzugehen, da ein freies Assoziieren der gewonnenen Erkenntnisse mit der eigenen Lebenswelt einen erheblichen Mehrwert für den Erkenntnisprozess der Lerngruppe darstellen kann – wie zum Beispiel die Aussage „Bei uns auf Sizilien gibt es auch Orangen!“ für einen Exkurs zur Physik des Erdklimas.

Verdichtung und Sichtung

Im nächsten Schritt wurden die Daten, die von den unterschiedlichen Gesprächspartnern erhoben wurden, zu Ansichten verdichtet, die im weiteren Seminarverlauf zu prüfen waren. Die Ansichten wurden unterschiedlichen Personae zugeordnet, das sind Kunstpersonen die so nicht existieren (Datenschutz). Sie repräsentieren aber die Bedürfnisse und Ansichten verschiedener Gesprächspartnerinnen und –partner aus Schule, Seminar und Odysseum. Im weiteren Verlauf mussten sie ständig berücksichtigt werden.
Diese Personae lieferten dann die Grundlage für eine Generierung von Ideen. Dafür stützten wir uns sowohl auf Theorie als auch auf selbst gewonnene empirische Daten. Das Design Thinking unterscheidet zwischen divergenten Phasen und konvergenten Phasen. In der divergenten Phase sollen so viele Ideen wie möglich gesammelt, und keine Idee vorschnell abgelehnt werden. Auf jeder Idee soll systematisch weiter aufgebaut werden, bis alle Möglichkeiten erkundet sind. Dadurch wird der Einfluss kulturspezifischer Blickwinkel und Zuschreibungen verhindert. Das ist besonders wichtig für die interkulturelle Arbeit in heterogenen Gruppen.
Danach wurden in der konvergenten Phase aus einem breiten Fundus Ideen ausgewählt, die sich in testbare Prototypen umsetzen lassen würden. Die Auswahl traf unsere Expertengruppe aus Odysseum und Mercator-Institut nach fünf transparenten Kriterien:
1. Bieten die Ideen ausreichend Sprechanlässe? 2. Wie gut können sie umgesetzt werden? 3. Wie gut passen sie zu den Zielen der Fachdidaktik und Museumspädagogik? 4. Wie gut passen sie zur Lichtsituation im Odysseum? 5. Sind die Sicherheitsvorgaben ausreichend berücksichtigt?
Die Testungen im Feld erfolgten in der Vincenz-Statz-Grundschule und im Odysseum selbst, das für die gesamte Seminargruppe kostenfrei zugänglich war. In einer Abschlussveranstaltung wurden die Ideen, ihre Testungen und unsere Denkergebnisse dem Odysseum vorgestellt, und zwar den Abteilungen Museumspädagogik, Entwicklungstechnik und Geschäftsführung. So konnten die Ideen rechtzeitig vor dem Umbau in der Sommerpause in neue Exponate einfließen, insbesondere in den „Lianengarten“ und den „Ames Room“.
Diese Exponate wurden am 9. Oktober 2018 mit der vom Odysseum eingeladenen Schulklasse 4a der Vincenz-Statz-Grundschule ausprobiert und bewertet. Wie erwartet, bieten die Exponate reichhaltige Sprechanlässe und wurden von den Mädchen und Jungen unserer Kooperationsgruppe mit Begeisterung und intensiver Kommunikation erkundet. Mehrsprachige Anleitungen waren nicht mehr notwendig.