Digitalisierung in der Lehrkräftefortbildung am Beispiel der Qualifizierungsmaßnahme für Lehrkräfte des Herkunftssprachlichen Unterrichts (HSU)
von Patrick Krüger • Artikel im ZMI Magazin 2021/22, S. 35
Stellen Sie sich vor, es ist Corona … und trotzdem findet gute Bildung statt. Gute Bildung – das heißt nicht, dass wie vor der Pandemie dreißig Schülerinnen und Schüler mit Lehrpersonal in einem Klassenraum sitzen, aber durch Masken, offene Fenster und Luftfilter geschützt werden. Nein, das kann auch heißen: Bildung auf Distanz. Lehrpersonal und Lernende können mittels Hard- und Software miteinander interagieren. Und auch Lehrkräfte können online fortgebildet werden.
Unsere Gesellschaft verändert sich rasant in Richtung eines zunehmend digitalisierten Alltags. Schule als Ort der Vorbereitung auf das Leben in dieser Gesellschaft muss sich entsprechend mit entwickeln, anpassen und verändern. Das Ministerium für Schule und Bildung NRW hat 2018 hierfür die „Digitaloffensive Schule NRW“ ins Leben gerufen. Digitalisierung soll zur „besten Bildung“ beitragen, indem einerseits die Vermittlung von Medienkompetenzen, die entsprechende Qualifizierung von Lehrkräften sowie die Ausstattung aller Schulen mit Hard- und Software vorangetrieben werden. Andererseits – im besten Sinne eines pädagogischen Doppeldeckers – sollen Fortbildungsmaßnahmen für Lehrkräfte selbst mit digitalen Mitteln durchgeführt werden.
Diese Fortbildungen erhalten Lehrkräfte u. a. durch das Fort- und
Weiterbildungsdezernat der Bezirksregierung Köln, das dazu Kom-
petenzteams vor Ort einsetzt. Hier bieten sogenannte Moderatorinnen und Moderatoren, also Lehrkräfte, die im Auftrag der Bezirksregierung Fortbildungen konzipieren und durchführen, zahlreiche Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten an. Allen Angeboten gemein ist das Thema Digitalisierung, welches sich wie ein roter Faden durch die Angebote zieht. Wie innerhalb dieser Lehrkräftefortbildungen wiederum digitale Medien ganz konkret eingesetzt werden können, soll hier exemplarisch an der Qualifizierungsmaßnahme für Lehrkräfte des Herkunftssprachlichen Unterrichts (HSU) für Schülerinnen und Schüler mit internationaler Familiengeschichte dargestellt werden.
Angebote für die Mehrsprachigkeit: Qualifikationserweiterung für HSU-Lehrkräfte
HSU-Lehrkräfte werden von Beginn ihrer Dienstzeit an besonders geschult. Die sogenannte Qualifikationserweiterung soll sie gezielt auf ihre Arbeit mit den Lernenden vor Ort vorbereiten. Parallel und auch danach können darauf aufbauende Fortbildungen in Anspruch genommen werden, die weitere Aspekte der Unterrichtsentwicklung im Herkunftssprachlichen Unterricht vertiefen.
Die Teilnehmenden der Qualifikationserweiterung treffen sich wöchentlich über ein Schulhalbjahr hinweg, geleitet von einem Moderationsteam. Das inhaltliche Ziel ist es, den HSU-Lehrkräften aktuelle didaktische und methodische Kenntnisse im Bereich der allgemeinen fachspezifischen Unterrichtsentwicklung im HSU zu vermitteln.
Die Qualifizierungsmaßnahmen werden hybrid durchgeführt, das bedeutet, Treffen in Präsenz und Distanz wechseln sich ab. Die Rhythmisierung ist dabei an Inhalt und Zielsetzung angepasst. So können alle zur Verfügung stehenden Methoden – digitale und Präsenzmethoden – bestmöglich genutzt werden. Die Anwendung digitaler Angebote innerhalb der Qualifizierungsmaßnahmen trägt zudem zu einer besonderen Nachhaltigkeit des Gelernten bei. Technische Unterstützung bietet hierbei das Lernmanagement-System Moodle des Landes NRW. In dieser Online-Software können moderierende Texte, Videos und andere Fortbildungsmaterialien bereitgestellt und Aufgaben von den Teilnehmenden zeitgleich oder zeitlich versetzt bearbeitet werden. Die Arbeitsergebnisse können in Moodle hochgeladen werden, sodass die Lehrkräfte des Moderationsteams den Lernfortschritt sehen und so gezielte Rückmeldungen geben können. Während der Corona-Pandemie wurden und werden die Fortbildungen sogar ausschließlich mit digitalen Medien in Distanz durchgeführt. Ein idealtypischer Fortbildungstag mit digitalen Mitteln muss dabei nicht grundlegend anders verlaufen als ein Fortbildungstag in einem Schulungsraum. Nach einer Begrüßung – z. B. per Videokonferenz – wechseln sich Inputphasen mit Phasen der Teilnehmenden-Aktivierung ab. Teilnehmende erarbeiten z. B. in Gruppen (in sog. Break-out-Räumen) Arbeitsaufträge, stellen diese anschließend der Gruppe vor und diskutieren gemeinsam. Nach dem Fortbildungstag können sie Gelerntes in der Praxis ausprobieren und ihre Erfahrungen in der Folgeveranstaltung mit der Lerngruppe austauschen. Das Lernmanagementsystem Moodle ermöglicht Austausch und Zusammenarbeit online und kann darüber hinaus für asynchrone, also zeitlich flexible, Arbeit an einem Thema genutzt werden.
Natürlich hat die Digitalisierung bereits vor der Corona-Pandemie Einzug in Schule erhalten. Doch die aktuelle Situation hat sicherlich dazu beigetragen, den Prozess der Digitalisierung auch in der Lehrkräftefortbildung zu beschleunigen. Jetzt ist es wichtig, digitale Medien gut überlegt auch weiterhin zu nutzen und dies als Chance wahrzunehmen, um „beste Bildung“ stetig weiterzuentwickeln. Das hier dargestellte Beispiel der Digitalisierung der Qualifizierungsmaßnahme für HSU-Lehrkräfte im Bereich der Mehrsprachigkeit zeigt, dass es in die richtige Richtung geht, doch der Weg ist noch lang und die jeweils ganz speziellen didaktischen Belange fordern uns heraus. Denn wir wissen: digitale Technik allein macht noch keine gute Bildung aus. Hierzu bedarf es vor allem einer gründlichen didaktischen Auseinandersetzung aller in und für Bildung verantwortlichen Personen.