Türöffner Deutsch als Zweitsprache Ein Jahr Weiterbildungsstudium DaZ intensiv Interview mit zwei Teilnehmerinnen
Die Fragen stellte Ina-Maria Maahs, Mercator-Institut für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache, Universität zu Köln • Artikel im ZMI Magazin 2017, S. 30
„Das Weiterbildungsstudium hat für mich eine Tür weit geöffnet, die bisher nur angelehnt war
– sprachliches und soziales Engagement kann ich jetzt noch gezielter in die Tat umsetzen.“
Nathalie Lützler, Teilnehmerin DaZ intensiv 2017/2018
Seit Herbst 2016 gibt es am Mercator-Institut die Möglichkeit, Deutsch als Zweitsprache als Weiterbildungsstudium zu belegen – als kurze, knackige Kompaktversion mit fünf Präsenzterminen über ein Semester und Überblickscharakter oder als intensives Teilzeitstudium mit vertiefenden Einblicken in die verschiedenen Teilaspekte der sprachlichen Bildung über zwei Semester. Zielgruppe sind sowohl Lehrkräfte aus Regelschulen als auch Erwachsenenbildner, die in Sprach- und Integrationskursen tätig werden möchten.
Nach einem Jahr haben 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer in zwei Kohorten DaZkompakt und 25 Teilnehmerinnen und Teilnehmer die erste Kohorte DaZintensiv erfolgreich absolviert, die nachfolgenden Generationen stehen schon in den Startlöchern. Doch hinter diesen Zahlen stehen ganz individuelle Persönlichkeiten mit den unterschiedlichsten Beweggründen für das Studium und Zielen nach dessen Abschluss. Wir haben zwei von ihnen nach ihren persönlichen Erfahrungen befragt.
Gudrun Raiser, DaZintensiv Profil
Erwachsenenbildung
Warum hast du dich für das Weiterbildungsstudium angemeldet?
Zum einen finde ich, dass es eine wichtige Aufgabe ist, geflüchteten Menschen die Integration in unsere Gesellschaft zu ermöglichen, zum anderen hat mir meine ehrenamtliche Tätigkeit der Deutschvermittlung mit geflüchteten Menschen so viel Spaß gemacht, dass ich mir gut vorstellen konnte, dies in einem professionellen Setting zu tun.
Was hast du aus dem Weiterbildungsstudium mitgenommen?
Mitgenommen habe ich vor allen Dingen die Einsicht in die Komplexität der Sprachvermittlung – gerade auch, weil Deutsch meine Muttersprache ist. Die Bedeutung der Berücksichtigung der komplett anderen bisherigen Lebenswelt und -erfahrung der Lernenden bei der Sprachvermittlung ist mir sehr bewusst geworden und präg-nant begegnet. Wie sollen bzw. können Menschen ohne Bildungserfahrung in ihrer Muttersprache eine Zweitsprache in unserer Gesellschaft erlernen, anhand von Methoden, die ihnen gänzlich fremd und nicht nachvollziehbar sind? Ich finde es sehr lohnend, da über unseren „Tellerrand“ zu blicken: im Rahmen des Weiterbildungsstudiums habe ich einen Ansatz aus den USA (Mutually Adaptive Learning Paradigm) kennengelernt, der genau diese Frage und Problematik bei der Sprachvermittlung berücksichtigt.
Was war für dich ein persönliches Highlight?
Ein Highlight war sicherlich das Praxisprojekt: das Gelernte bei einer extrem heterogenen Gruppe von Lernenden anzuwenden war eine Herausforderung. Aber es war auch sehr motivierend und befriedigend, im Teamteaching diese Aufgabe zu bewältigen. Das Arbeiten im Team habe ich als absolut fruchtbar, bereichernd und unterstützend erlebt! Wir sind auch gut mit der Kursleitung und der Gruppe der Lernenden in Kontakt gekommen und haben über das Praxisprojekt hinaus noch weiterhin ehrenamtlich den Kurs mitgestaltet.
Gab es auch Krisen oder Situationen des Zweifels?
Da ich „nebenher” noch Job und Familie habe, fühlte ich mich zeitweise von der Fülle und Komplexität der Inhalte und Materialien “erschlagen”. Durch die Anwendung des Gelernten in der Praxis habe ich einen besseren Überblick bekommen, allerdings haben sich dann auch wieder neue Fragen ergeben – ganz im Sinne des lebenslangen Lernens …
Nicht so motivierend waren die beruflichen und finanziellen Perspektiven, die sich DaZ/DaF-Lehrerinnen und -Lehrern bieten: Die meisten müssen als schlecht bezahlte Selbständige mit unsicherer Perspektive arbeiten. Da müsste sich noch einiges – auch was die gesellschaftliche Wertschätzung betrifft – verändern!
Wie geht es für dich jetzt weiter?
Aktuell habe ich noch keine konkrete Stelle in Aussicht. Ich kann mir sowohl die Erwachsenenbildung als auch den DaZ-Unterricht an einer Schule gut vorstellen. Gerade als Ethnologin fände ich auch das wissenschaftliche Arbeiten zum Thema ‚Wie können Menschen mit sehr unterschiedlichem kulturellen Hintergrund und ohne Bildungserfahrung in unser Schul- bzw. Bildungssystem und unsere Gesellschaft integriert werden?‘ sehr reizvoll und wichtig.
Was würdest du jemandem empfehlen, der jetzt mit dem Weiterbildungsstudium anfängt?
Man sollte sich im Klaren darüber sein, dass das Weiterbildungsstudium sehr umfangreich und arbeitsintensiv ist. Es ist empfehlenswert, sich schon zu Beginn nach einer geeigneten Gruppe von Lernenden für die Durchführung des Praxisprojektes umzuschauen und parallel zum Studium eine Möglichkeit zur praktischen Anwendung des Gelernten zu suchen. Die praktische Umsetzung ist meiner Meinung nach leider etwas zu kurz gekommen, denn nur durch das Tun können das Gelernte und die Theorie reflektiert werden.
Nathalie Lützler, DaZintensiv Profil Schule
Warum hast du dich für das Weiterbildungsstudium angemeldet?
Als angehende Lehrerin, die auch schon einige Praxisphasen absolviert hat, bin ich mir der (sprachlichen) Heterogenität meiner zukünftigen Klassen bewusst. Ich habe zudem an französischen Schulen Deutsch unterrichtet. Diese Erfahrungen und Erkenntnisse haben mir gezeigt, dass ich mich im Bereich Deutsch als Zweitsprache weiterbilden möchte und auch muss, um dem, was mich später in meinem Beruf erwarten wird, gerecht zu werden.
Was hast du aus dem Weiterbildungsstudium mitgenommen?
Sprache ist Potenzial. Mehrsprachigkeit ist eine (noch) unterschätzte Chance für alle an einer Gesellschaft Teilnehmenden, die es nun zu nutzen gilt. Gezielte sprachliche Arbeit – auch überfachlich -, Sprachbewusstheit und Offenheit den Lernenden gegenüber bewirken oft Wunder! Die entsprechenden Werkzeuge für genau diese Ambitionen habe ich im Weiterbildungsstudium an die Hand bekommen.
Was war für dich ein persönliches Highlight?
Es war sehr bestärkend, meinen eigenen Lernzuwachs zu sehen. In der praktischen Arbeit zum Semesterende zu erkennen, dass meine Bemühungen im Weiterbildungsstudium Früchte tragen und dass Lernende konkret von meinen eigenen Fortschritten profitieren, ist sehr motivierend.
Gab es auch Krisen oder Situationen des Zweifels?
Ich habe das Weiterbildungsstudium zu jedem Zeitpunkt als Bereicherung gesehen. Dass es unterschiedliche Voraussetzungen bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmer gibt, ist selbstverständ-
lich, sodass man zum Beispiel über Ausführungen über bereits bekannte Themen hinwegsehen muss.
Wie geht es für dich jetzt weiter?
Ich werde im November 2017 in NRW mein Referendariat beginnen. Ich bin mir sicher, dass ich also bald auf Situationen stoßen werde, die meine neu gewonnen Kompetenzen auf den Prüfstand stellen werden. Ich bin gespannt!
Was würdest du jemandem empfehlen, der jetzt mit dem Weiterbildungsstudium anfängt?
Nehmt alles mit, was euch geboten wird! Eine vergleichbare Möglichkeit, diese Inhalte in so gebündelter Form zu erfahren, wird es nicht oft geben. Selbst wenn im Moment in eurer Praxis kein Bedarf bestehen sollte, konkret auf die vermittelten Inhalte zurückzugreifen – er wird irgendwann kommen. Sammelt alle Folien, Handouts, Materialien etc. und profitiert uneingeschränkt von diesem großen Angebot.
Weitere Infos zum Weiterbildungsstudium Deutsch als Zweitsprache finden Sie hier:
www.mercator-institut-sprachfoerderung.de/lehre/weiterbildungsstudium-daz/