Kölner Sommerschule für geflüchtete Jugendliche

Kölner Sommerschule für geflüchtete Jugendliche

Dr. Diana Gebele und Dr. Alexandra L. Zepter • Artikel im ZMI Magazin 2016, S. 17

Neu zugewanderte, gerade geflüchtete Kinder und Jugendliche müssen von den Schulen mit knappen Ressourcen in kurzer Zeit sprachlich soweit gefördert werden, dass sie erfolgreich am Regelunterricht teilnehmen können. Dazu bedarf es eines effizienten Sprachunterrichts, aber wir müssen auch über extracurriculare Förderangebote nachdenken. In Köln gibt es seit Längerem die Ferienschulen für Schülerinnen und Schüler mit Deutsch als Zweitsprache. Sie schienen uns eine geeignete Form, die wir in diesem Jahr für die gezielte Sprachförderung für geflüchtete Jugendliche nutzen wollten.

Organisiert wurde die diesjährige Sommerschule durch das Institut für deutsche Sprache und Literatur II der Universität zu Köln und das ZMI – Zentrum für Mehrsprachigkeit und Integration Köln. Das Lernende Region-Netzwerk Köln e.V., die universitäre „Zukunftsstrategie LehrerInnenbildung“ (ZuS), die ihrerseits vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen der Qualitätsoffensive Lehrerbildung gefördert wird, und die Alfred Neven DuMont-Stiftung unterstützten das Vorhaben.
Unser Rahmenthema war „Wir sind Köln“. Zwei Wochen lang nahmen insgesamt 36 neu zugewanderte Schülerinnen und Schüler aus sieben Herkunftsländern im Alter von 12 bis 16 Jahren, darunter neun unbegleitete Jugendliche, an dem ganztägigen Sprachunterricht teil. Es erschien uns sinnvoll, die Ferienzeit für diesen Unterricht zu nutzen. Die meisten von ihnen hatten nach einer Zeit der Flucht oder angesichts des Krieges in ihrer Heimat schon länger keine Schule mehr besucht. Als Standort wählten wir die Adolph-Kolping-Hauptschule in Köln-Kalk: Im Schuljahr 2014/2015 wurden hier zahlreiche geflüchtete Jugendliche eingeschult, die nun aktuell in neun internationalen Vorbereitungsklassen unterrichtet werden.
In erster Linie sollten die Kinder und Jugendlichen mithilfe der Sommerschule ihre sprachlichen Fähigkeiten erweitern, die für den Alltag im Allgemeinen, aber vorrangig auch den schulischen Alltag bedeutsam sind. Durch eine gezielte, individuelle Unterstützung in Kleingruppen galt es, den Übergang von der Vorbereitungsklasse in die Regelklasse zu erleichtern oder besser noch zu verkürzen. Den Jugendlichen wurden überdies (Sprach-)Lernstrategien und -techniken vermittelt und es wurden Prozesse sprachlicher Reflexion gefördert (vgl. auch Gagyan 2007). Damit sollten sie auf das schulische Lernen besser vorbereitet werden. Im Sinne des Mottos „Wir sind Köln“ stellten wir thematisch die Auseinandersetzung mit der unmittelbaren Umgebung bzw. mit der Stadt Köln in den Mittelpunkt. Neben der Sprachentwicklung wollten wir kulturbezogene individuelle Identifikationsprozesse und Perspektivenwechsel anregen (vgl. auch Gebele/Zepter 2016). Das sprachliche Lernen bildete so auch eine Grundlage für die Orientierung in der unmittelbaren Lebenswelt der Jugendlichen.
Der sprachliche Lernstoff war auf den Stufen A1 bis Anfang A2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen angesiedelt. Grundsätzlich strebten wir eine ausgewogene Förderung aller vier Kompetenzbereiche des Deutschunterrichts an (Sprechen und Zuhören; Schreiben; Lesen – mit Texten und Medien umgehen; Sprache und Sprachgebrauch untersuchen) und integrierten in diesem Rahmen auch Projekte, in denen die Jugendlichen auf Tablet-PCs (iPads) eigene kleine Filme, Graphiken und Texte produzierten. Die iPad-Projekte sollten zusätzlich die Entwicklung medialer Kompetenz unterstützen bzw. die Fähigkeit ausbauen, elektronische Medien als kreative (Sprach-)Lernmedien und als Instrumente für die Orientierung in der neuen Umgebung zu nutzen.
Ein besonderes Merkmal des diesjährigen Konzepts bestand darüber hinaus in der Verbindung von Sprachunterricht mit ästhetischen, bewegungsorientierten bzw. (tanz-)theatralen und medialen Aktivitäten (vgl. zur Relevanz auch Zepter 2013): Die am Vormittag thematisierten sprachlichen Inhalte wurden am Nachmittag im Rahmen einer kreativ-ästhetischen Auseinandersetzung der Teilnehmenden mit ihrem neuen Lebensmittelpunkt Köln aufgegriffen, mit sportlichen und musikalischen Aktivitäten sowie auch der Gestaltung von T-Shirts mit Kölner Ansichten und mehrsprachigen Texten. In den gemeinsamen Aktivitäten entstanden authentische kommunikative Situationen, die handlungsorientiert sprachliches Lernen anregen. Den Höhepunkt bildete am letzten Ferienschultag eine Feier mit Familien und Freunden, auf der alle Teilnehmenden ausgewählte Arbeitsergebnisse unter viel Applaus auf die Bühne brachten. Unterrichtet wurden die Jugendlichen von 20 Lehramtsstudierenden des Faches Deutsch, die wir im Vorfeld der Ferienschule im Rahmen eines universitären Seminars auf ihre Tätigkeit vorbereiteten. Die Studierenden lernten darin unter anderem, sprachliches Lernen (Sprechen und Schreiben) mit ästhetischen Erfahrungen und Bewegungstheater zu verknüpfen (vgl. dazu auch den TextBewegungs-Ansatz in Schindler/Zepter 2011, Zepter 2013, Schindler/Zepter i.V.). Ein Workshop befasste sich mit der Nutzung elektronischer Medien (iPads) im Sprachunterricht.
In der Ferienschule betreuten die Studierenden jeweils zu dritt oder zu viert eine Kleingruppe mit sechs oder sieben Jugendlichen. Dabei wurden sie von Dozenten der Universität in Bezug auf die Planung und Durchführung ihres Unterrichts beraten. Wir erprobten auch Co-Teaching, wobei Studierende und Dozierende gemeinsam eine Unterrichtseinheit vorbereiten und realisieren. Die Lehramtsstudierenden konnten in ihrer Arbeit mit neu zugewanderten Schülerinnen und Schülern praktische Lehrerfahrungen sammeln. Sie standen den Jugendlichen als Ansprech- und Kommunikations- bzw. Spielpartner die gesamte Ferienschulzeit zur Verfügung. Dies ermöglichte einen natürlichen Rahmen für authentische Kommunikation und entsprechende (sprachliche) Lernprozesse.
Die Kölner Ferienschule für geflüchtete Jugendliche wurde sowohl von den Schülerinnen und Schülern als auch von den Lehramtsstudierenden gut angenommen. Und sie stieß auf ein breites mediales Interesse, denn offenbar werden Ideen und Formen für eine erfolgreiche schulische Integration von geflüchteten Kindern und Jugendlichen dringend gebraucht.
Die studentische Förderkraft Sarah Schäfer bezeichnete im Interview mit dem Dom Radio Köln (Der Sonntag, 17.07.2016) die Ferienschule als einen „großen Extraanreiz“ zum Erlernen der deutschen Sprache für die Jugendlichen, die eine andere Studentin, Katharina Offermann, im Interview mit dem Bürgerfunk Köln (Rheintime, 06.08.16; Frequenz Radio Köln 107,1) als äußerst wissbegierig und an der deutschen Kultur interessiert beschreibt. Der 14-jährige Schüler Mahdi Jafari begründete seine Motivation für die Teilnahme an der Ferienschule u.a. folgendermaßen:
„Ich will weiterlernen. Und nicht nur immer zuhausebleiben. Weil ich habe gedacht, wenn ich komme zur Ferienschule, das ist besser als zuhausezubleiben und fernzusehen oder spazierenzugehen.“ (aus dem Interview für den Bürgerfunk Köln vom 06.08.2016)
Rückblickend zeigt sich, dass insbesondere ein hoher Betreuungsschlüssel und die Kooperation von mehreren Akteuren wichtige Erfolgsbedingungen waren. Von den geflüchteten Schülerinnen und Schülern wurde die Ferienschule gern angenommen, und in den Schulen weiß man um die entscheidende Rolle sprachlicher Integration, deshalb erfuhren wir auch von dort sehr viel Zustimmung.

Literatur
Europarat (Hrsg.)(2001): Gemeinsamer Europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen. München, Berlin: Langenscheidt.

Gagyan, Diana (2007): Schule in den Ferien – war Klasse! Ein Feriensprachcamp organisieren. In: Attraktive Grundschule: Jedes Kind fordern und fördern. Berlin: Raabe Fachverlag für Bildungsmanagement.

Gebele, Diana; Zepter, Alexandra L. (2016): Wir sind [Köln]! ─ Ein Blogprojekt. Heterogene Perspektiven auf Lieblingsorte entwickeln. In: Praxis Deutsch 258: Gemeinsam lernen – der Umgang mit Vielfalt im Unterricht; hrsg. von Baurmann, Jürgen; Müller, Astrid, 43-47.

Schindler, Kirsten; Zepter, Alexandra L. (2011): Schreibarbeit mit Körperarbeit verbinden. In: Bräuer, Gerd; Schindler, Kirsten (Hrsg.): Schreibaufgaben für Schule, Studium und Beruf arrangieren. Freiburg: Filibach, 205-220.

Schindler, Kirsten; Zepter, Alexandra L (i.V.): TextBewegung. Zur Verknüpfung von Sprach- und Bewegungsarbeit im Unterricht. Lehrbuch für Deutschlehrer(innen) und Sprachpädagogen. Erscheint in der Reihe Textproduktion und Medium, hrsg. von Jakobs, Eva-Maria; Knorr, Dagmar. Frankfurt am Main: Peter Lang

Zepter, Alexandra L. (2013): Sprache und Körper. Vom Gewinn der Sinnlichkeit für Sprachdidaktik und Sprachtheorie. Frankfurt am Main: Peter Lang.