Das Rucksack-Programm: Ein Rucksack, den man nicht tragen kann
von Cahit Basar • Artikel im ZMI Magazin 2011, S. 30
Zunächst mag der Name etwas erstaunen. Schnell ist man dazu verleitet, sich unter dem Rucksack eine entsprechende Tasche für den bequemen Transport auf dem Rücken vorzustellen. Davon, dass dies nicht so ist, konnte man sich auf der Feierstunde am 11. Juli im Forum Volkshochschule überzeugen. An diesem Tag haben 40 Mütter, die
erfolgreich an dem Rucksackprojekt teilgenommen haben, ihre Diplome erhalten. Als Demet Sakalli ihres überreicht bekommt, merkt man ihr den Stolz sichtbar an. Ihre Familie ist ebenfalls gekommen, um die dreifache Mutter an diesem besonderen Tag zu feiern.
Das Rucksack-Programm der Regionalen Arbeitsstellen zur Förderung von Kindern und Jugendlichen aus Zuwandererfamilien (RAA) überzeugt mit seiner einfachen Konzeption ebenso wie mit seinem Erfolg. Im Zentrum des Programms steht die Förderung der Sprachentwicklung von Kindern in der deutschen und in der Herkunftssprache. Beides kann nur dann nachhaltig gelingen, wenn die Eltern der Kinder als wichtige Akteure in Erziehungsfragen hinzugewonnen werden können. Daher richtet sich das Programm an Kinder und Eltern gleichermaßen.
Das Programm ist zugleich ein niedrigschwelliges Angebot für Eltern, das parallel zur sprachlichen Bildung ihrer Kinder in den Kindertagestätten und Grundschulen ihre Erziehungskompetenz unter Anleitung pädagogischer Fachkräfte ausbauen möchten. Die Sprachentwicklung des Kindes ebenso wie die Erhöhung der Erziehungskompetenz der Eltern orientiert sich an den Lebenswelten der Kinder und ihrer Familien. Alle Beteiligten sind in der Lage, das Erlernte sofort umzusetzen und eine lebendige Brücke zwischen Bildungseinrichtungen und Familienwelten zu schlagen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der „Rucksackgruppen“ haben in ihren Gruppen Gelegenheit, sich mit anderen Eltern auszutauschen und von
Familienbildnerinnen und -bildnern zur frühkindlichen Erziehung beraten und schulen zu lassen.
Dem Erfolg des Projektes liegt eine Kooperation kommunaler und freier Träger zu Grunde. Ein enges Netzwerk zahlreicher Partner begleitet das Projekt und verzahnt somit Kompetenzen und Ressourcen miteinander. Die RAA hat bei diesem Programm die Federführung. Ursprünglich in den Niederlanden entwickelt, wurde „Rucksack“ vor Jahren übernommen und an die Rahmenbedingungen in Deutschland angepasst. Das Copyright für das Programm liegt bei der RAA Essen und der Hauptstelle der RAA Nordrhein-Westfalen, es wird landesweit durchgeführt und ist inzwischen zertifiziert.
Wenn ein Sprichwort sagt, dass es ein ganzes Dorf braucht, um ein Kind zu erziehen, so bedeutet das für eine Großstadt, dass es viele Kooperationspartner braucht, um ein gutes Programm umzusetzen. Das Jugendamt der Stadt Köln mit den Abteilungen Jugendförderung, Kindertagesstätten und Interkulturelle Dienste, das Schulamt für die Stadt Köln, die Katholische Familienbildung e. V. und die beteiligten Schulen und Kindertagesstätten, sie alle arbeiten eng zusammen. Die Kindertagesstätten und Schulen übernehmen die Verantwortung für die Sprachentwicklung der Kinder und entwickeln ein Konzept für Mehrsprachigkeit und Interkulturalität. In diesem Rahmen öffnen sie sich für die teilhabende Rolle der Eltern. Die Fachkräfte in KiTa und Grundschule müssen sich auf die „Rucksackthemen“ einlassen und sich mit den Elternbegleiterinnen abstimmen.
Die Verantwortung für die Anleitung der Elternbegleiterinnen hat im Rahmen der Elternbildung gemäß § 16 SGB VIII die Abteilung Jugendförderung des Jugendamtes übernommen. Die Durchführung der Elternbegleiterinnen-Schulung und Supervision erfolgt durch die Katholische Familienbildung Köln e. V., FamilienForum Agnesviertel. Die Vielzahl der Partner macht deutlich, dass eine moderne zukunftsfähige Stadtgesellschaft nur gelingen kann, wenn Themen erkannt, Synergien geschaffen und Potenziale entwickelt werden können.
Das Programm hat Zukunft und ist noch ausbaufähig. So werden im Rahmen von Mülheim 2020 ab September 2011 weitere Gruppen eingerichtet werden. Auch diese werden wieder Absolventinnen haben, die wie Demet Sakalli, mit Stolz ihre Diplome entgegen nehmen werden.